Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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Innovation for Jobs – Potsdamer Konferenz zur Zukunft der Arbeit

09. - 10. April 2018

Weltweit denken Wissenschaftler, Politiker und Führungskräfte in Unternehmen darüber nach, wie sich die Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt auswirken wird. Wie schnell und in welcher Form werden technische Innovationen wie beispielsweise Künstliche Intelligenz im Arbeitsalltag ankommen? Welche anderen Kompetenzen als gegenwärtig werden in Zukunft von Mitarbeitern und Führungskräften gefordert sein? Und welche Strategien und Best-Practice-Beispiele gibt es, um Unternehmen und Mitarbeiter erfolgreich durch diesen Wandel zu begleiten?


Rückblick

Die Agenda finden Sie hier:

Hier geht es zur Aufzeichnung der Veranstaltung:

Alle Tweets zur Konferenz finden Sie hier:

Zwei intensive Tage rund um das Thema „Zukunft der Arbeit“ bot die „Innovation for Jobs“-Konferenz am 9. und 10. April 2018 am HPI. Rund 170 Teilnehmer aus Konzernen wie auch mittelständischen Unternehmen, Politik und politiknahen Organisationen, aus dem Coaching-Bereich sowie HPI-Alumni und -Studierende informierten sich zum Einfluss neuer Technologie wie Künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt, zu hieraus entstehenden Arbeitsmodellen und Unternehmensstrukturen sowie zu neuen Ansätzen der Mitarbeiterqualifizierung.

In seiner Einführung wies Prof. Dr. Christoph Meinel darauf hin, dass die Diskussion um eine mögliche Bedrohung der Arbeitsplätze durch Automatisierung seit Jahrzehnten immer wieder aufkeimt, dies sich derzeit – mit Blick auf die niedrige Arbeitslosenquote in Deutschland – allerdings nicht in den Zahlen niederschlägt. Dennoch betonte er, dass aufgrund der Verknüpfung mehrerer technologischer Innovationen (Internet of Things, riesige Speicherkapazitäten, In-Memory-Technologie, Deep Learning) von größeren Umwälzungen in der Arbeitswelt in den kommenden Jahren auszugehen ist.

Dieser Einschätzung schloss sich Thomas Jarzombek (Mitglied der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag) und deren Sprecher für „Digitale Agenda“, an. Deshalb machte er auch deutlich wie wichtig es sei, dem „Arbeiten 4.0“-Prozess in der vergangenen Legislaturperiode nun auch konkrete Gesetzesvorhaben folgen zu lassen beispielsweise zur Ermöglichung ortsunabhängigen Arbeitens oder einer Novelle des Arbeitszeitengesetzes. Mit Blick auf den Bereich Bildung forderte er einen Abgleich des (oftmals digital-freien) Schulalltags mit der Realität vieler Kinder und Jugendlicher und schlug hier Gamification als eine Möglichkeit vor, neue Motivations- und Anreizsysteme zum Lernen zu schaffen. Bei der beruflichen Weiterbildung seien Nanozertifikate ein Weg, Arbeitnehmer bei der Anpassung an den sich wandelnden Arbeitsmarkt zu unterstützen.

Im Anschluss an diesen Impuls hatten die Konferenzteilnehmer die Möglichkeit, an einer „Mini-Übung“ im Design Thinking teilzuhaben. Mit der Fragestellung wie sich die Digitalisierung in der Arbeitswelt persönlich auf den Einzelnen auswirkt starteten Interview-Sessions mit den Sitznachbarn. Aus diesen „personal insights“ wurden wiederum erste spontane Ideen und Ansätze für Lösungen („Ideation“) entwickelt. Diese interaktive Session bot den Teilnehmern viel Stoff für weitere Gespräche.

Künstliche Intelligenz demystifizieren

Im Auftaktpanel, welches zum Thema „Neue Technologie: Wie verändert Künstliche Intelligenz unsere Arbeitswelt?“ von Iris Plöger (BDI) moderiert wurde, machte Ina Schlie (SAP SE) deutlich, dass für SAP die Unterstützung des Menschen durch die neue Technologie im Vordergrund steht mit dem Ziel einer selbst-organisierenden „intelligent enterprise“. Erste Ansätze hierfür sind Tools, durch die beispielsweise eine höhere Sicherheit am Arbeitsplatz oder der Tausch von Jobs innerhalb eines Unternehmens ermöglicht werden.Prof. Dr. Toby Walsh (University of New South Wales) plädierte in seinem Statement dafür, durchaus Entwicklungen der Vergangenheit, z. B. die Bildung von Gewerkschaften oder die Sozialgesetzgebung als Resultate der Industriellen Revolution, als Indikator dafür anzuerkennen, dass in der Zukunft ähnlich radikale Schritte wie damals notwendig sein könnten, um die Umwälzungen in der Arbeitswelt zu bewältigen. Seiner Meinung nach seien zukünftig Arbeitsplätze sicher vor Automatisierung, die sich insbesondere im technischen Bereich befänden, hoher emotionaler und sozialer Intelligenz bedürften oder bei denen man künstlerisch bzw. handwerklich tätig ist. Er geht davon aus, dass wir zukünftig für Service, der von Menschen statt Maschinen ausgeführt wird, mehr zahlen müssen.

Volkhard Bregulla (Hewlett Packard Enterprise) sprach sich zu Anfang seines Statements dafür aus, KI zu „demystifizieren“. Würde man den Intelligenzquotient eines Menschen ansetzen, so hätte künstliche Intelligenz derzeit nur einen IQ von 50-70. Allerdings würde sich dies bis zum Jahr 2029 ändern – dann könnte man davon ausgehen, dass künstliche Intelligenz die des Menschen übertrifft. Wie SAP so arbeitet auch HPE daran, mittels Deep Learning Modelle und Lösungen zu entwickeln, die eine Organisation „intelligenter“ machen. Damit Europa bei der dynamischen Entwicklung künstlicher Intelligenz nicht hinter die USA oder China zurückfällt, rief Bregulla auf: „Act responsibly but fast!“.

Fabian Westerheide (Asgard) stimmte zu: „If we don‘t do anything, your AI which will run your life, your car and everything else will be American or Chinese.” Sein Statement befasste sich weiterhin mit einem Vergleich menschlicher und künstlicher Intelligenz mit dem Hinweis, dass KI-Technologie insbesondere auch für die Zusammenarbeit von Maschine zu Maschine sowie für die Kollaboration mit dem Menschen geeignet ist. Im Gegensatz zu Maschinen verfügt der Mensch zudem über die Fähigkeit, auch ohne Daten lernen zu können. Mit Blick auf die gesellschaftlichen Auswirkungen der neuen Technologie mahnte Westerheide, dass wir in Deutschland derzeit in einer „Blase“ leben – in anderen europäischen Staaten sei Jugendarbeitslosigkeit ein großes Thema, welches in Verbindung mit den kommenden Veränderungen in der Arbeitswelt unbedingt angegangen werden muss.

Der zweite Tag wurde eingeleitet von Prof. Dr. Christoph Meinel, der notwendige Schritte skizzierte, welche zur Bewältigung der Veränderungen durch Digitalisierung und Automatisierung beitragen können: die enge Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft zur Trenderkennung, Berufsorientierung der Studierenden sowie für neue Ansätze in der Forschung; die Förderung vernetzten Denkens zur Überwindung von Silo-Wissen und für mehr Innovation in Unternehmen; Digitale Bildung – in der Schule, aber auch im beruflichen Alltag; die Unterstützung von Gründungsteams, die mit ihren Startups schnell neue Geschäftsideen ausprobieren und agil auf Veränderungen reagieren können.

Bildergalerie der Innovation for Jobs 2018

Wie sehen Unternehmen der Zukunft aus?

Welche Organisationsstrukturen aus Sicht der Unternehmen wie auch der Mitarbeiter zukünftig zur Wettbewerbsfähigkeit und zu „guter Arbeit“ beitragen, wurde – moderiert von Prof. Ulrich Weinberg (HPI School of Design Thinking) – im Auftaktpanel des zweiten Konferenztages diskutiert. Dr. Elke Frank (Deutsche Telekom) erklärte, dass ihr Unternehmen mit 200.000 Mitarbeitern gleichzeitig sechs Kernthemen in diesem Bereich bearbeitet: 1) verstärkte Flexibilität des Arbeitens, 2) Digitalisierung von Arbeitsprozessen, 3) Vernetzung der unterschiedlichen Geschäftsbereiche, 4) Abbau von Hierarchie, 5) Umgang mit erhöhter Komplexität sowie 6) Unterstützung lebenslangen Lernens. Hier knüpfte Michael Fischer (ver.di) an, der zu bedenken gab, dass Personalentwicklung in den Unternehmen auch mit Blick auf den demografischen Wandel und die mittelfristige Pensionierung großer Teile der Belegschaft neu gedacht werden müsse. Mit Hinweis auf die Beschäftigungsstruktur in Deutschland – 70% der Arbeitnehmer sind im Dienstleistungsbereich tätig – nannte er folgende Kriterien „guter Arbeit“: gesund, menschengerecht, partizipativ, souverän mit Blick auf Arbeitsort und -zeit, persönlichkeitsfördernd sowie sinnstiftend. Jannike Stöhr (Autorin „Das Traumjob-Experiment“) stimmte dem zu: Nach längerer Tätigkeit im Personalbereich hatte sie das Experiment gewagt, 30 Berufe innerhalb eines Jahres auszuprobieren auf der Suche nach ihrem „Traumjob“. 2018 setzt sie dieses Experiment fort und testet 30 Jobs der Zukunft, u.a. Data Scientist und Service Designer. Ihre wichtigste Erkenntnis: Lernen funktioniert in der Praxis.

Neue Kollaboration

Moderiert von Dr. Claudia Nicolai (HPI School of Design Thinking) setzte das Panel „Neue Kollaboration“ einen besonderen Schwerpunkt darauf, wie sich die Interaktion zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und Maschine zukünftig durch Digitalisierung verändern wird. Dr. Florian Heinemann (Projekt A) stellte fest, dass der Automatisierungsgrad datengetriebenen Arbeitens sowie Echtzeit-Kommunikation über unterschiedliche Kanäle zunehmen. Dies erleichtere einerseits die Arbeit und motiviere einen bestimmten Teil der Arbeitnehmer. Andererseits erhöhe sich die Komplexität und der Teil der Arbeitnehmer, die in diesem Prozess drohen „auf der Strecke zu bleiben“, müssten mitgenommen werden („Digital Divide“). Um neue Technologie wie künstliche Intelligenz für Arbeitsprozesse erfolgreich nutzen zu können, müssten zudem zunächst in vielen Unternehmen die Datenstrukturen standardisiert werden. Diese Erfahrung teilte Udo Littke (Atos) und sprach von „digital shockwaves“, mit denen Organisationen umgehen müssten. Als Herausforderungen sieht er beispielsweise die schnelle Qualifizierung von Mitarbeitern in wertschöpfenden Zukunftsthemen sowie offene und agile Unternehmensstrukturen. z. B. Durchführung von Hackathons zur Problemlösung bzw. Ideenfindung.

Stephan Rogge (Rolls-Royce Deutschland) brachte ein sehr anschauliches Beispiel für neue Interaktion zwischen Mensch und Maschine mit: Der Triebwerkshersteller setzt seit kurzem ein speziell entwickeltes VR-System ein, welches die Arbeiten rund um die Triebwerksentwicklung wesentlich vereinfacht, intuitiv bedienbar ist, die Kollaboration mit Kollegen verbessert und insgesamt die hohe Komplexität der unterschiedlichen Triebwerke und Anforderungen an diese beherrschbar macht.

Einen komplett anderen Ansatz, Komplexität in Unternehmen beherrschbar zu machen, verfolgt das Unternehmen auticon, welches ausschließlich Menschen mit Autismus-Spektrum als IT-Consultants einsetzt. Geschäftsführer Markus Schwind berichtete über diese Arbeit und die Herausforderungen und Chancen der Zusammenarbeit zwischen Autisten und „neurotypischen“ Menschen und schlug den Bogen mit seinem Plädoyer dafür, unterschiedliche Denkstrukturen und rationale Sichten zu akzeptieren.

Modernisierung des Bildungssystems

Frank Sitta, MdB, (FDP) ging in seinem Statement zunächst darauf ein, dass Automatisierung nicht gleichzeitig überall und mit ähnlicher Intensität stattfinden wird, sondern – am Beispiel von zwei Nissan-Werken – sogar in gleichen Unternehmen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung. Nichtsdestotrotz plädierte er vor allem dafür, das Bildungssystem zu modernisieren, um junge Menschen bestmöglich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten und auch deren Selbstmotivation zu stärken. Hochschulen müssten zu Orten lebenslangen Lernens werden, damit Bildungswege auch für Arbeitnehmer dynamischer gestaltet werden könnten. Nicht zuletzt, damit Menschen besser mit den Veränderungen mithalten können.

Qualifizierung für die digitale Arbeitswelt gestalten

Das Abschlusspanel der Konferenz schloss an diesen Impuls an und widmete sich dem Thema der Qualifizierung. Moderiert durch Dr. Ole Wintermann (Bertelsmann Stiftung) stellten die Referent/innen Maßnahmen und Wege vor, wie Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Profilen von Qualifizierung profitieren können. Elke Manjet (SAP), verantwortlich für die Personalentwicklung von 25.000 Menschen an 30 Standorten, machte deutlich, dass insbesondere im Recruiting, aber auch bei der Weiterentwicklung des Personals Gestaltungsmöglichkeiten, Freiräume, Flexibilität und Sinn der Arbeit eine große Rolle spielen. Beispiele zur Förderung dieser Elemente sind das Intrapreneurship-Programm oder eine Raumgestaltung, die offene Kommunikation unterstützt. Dieses „Management“ der Unternehmenskultur – im Gegensatz zu einer „Verordnung“ – befürwortete auch Rosa Riera (Siemens). Für viele Mitarbeiter stünden „Purpose“, Work-life Balance sowie auch Qualifizierungsmöglichkeiten im Vordergrund bei der Wahl einer Tätigkeit bzw. eines Unternehmens. Darüber hinaus sei mehr denn je Transparenz in den Unternehmensentscheidungen geboten. Dr. Norbert Sack (ESMT Berlin) hob hervor, dass hier auch ein Führungswandel in Unternehmen stattfinden müsse. Als Business School beschäftigt sich die ESMT genau mit diesen Themen: Wie können insbesondere Soft Skills und Anpassungsfähigkeit von Führungskräften weiterentwickelt werden, damit Unternehmen bei hoher Innovationsgeschwindigkeit und sich veränderter Wettbewerbslandschaft bestehen können. Valerie Holsboer (Bundesagentur für Arbeit) legte den Fokus auf die enge Kooperation mit der Wirtschaft in der Entwicklung von Qualifizierungsmaßnahmen und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Herausforderung insbesondere darin bestehe, Menschen ohne Berufsausbildung beschäftigungsfähig zu halten und weiterzubilden. Im Hinblick auf das Ausbildungssystem in Deutschland sprach sie sich für eine Beibehaltung der dualen Ausbildung aus. Martin Klaub (IBM) legte in seiner Ausführung ein besonderes Augenmerk auf die Individualisierung von Lerninhalten, um so zukünftig die Wissensvermittlung effizienter zu gestalten. Weiterhin verdeutlichte er an seinem eigenen Beispiel, dass Jobwechsel für Beschäftigte zukünftig zum Alltag gehören werden.

The new playbook

Esko Kilpi, Autor und „New Work“-Experte aus Finnland, stellte im Abschlussvortrag der Konferenz die plakative Frage: „Is management the bottleneck of today’s fast-paced world?“ Er machte deutlich, dass zukünftig nur Unternehmen am Markt bestehen könnten, deren Produkte ein soziales Element hätten und deren Mitarbeiter durch die Nutzung neuer Technologie und „expert tools“ sowie durch echte Partizipation im Unternehmen in die Lage versetzt würden, sich als „Besitzer“ des Unternehmens zu verstehen und aus dieser Motivation heraus neue Ideen und Innovationen zu entwickeln.