Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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20.11.2008

Darmstadt/Potsdam. Der Deutsche IPv6-Rat hat begrüßt, dass vom dritten nationalen IT-Gipfel ein Impuls zur Einführung der neuen Internetgeneration IPv6 ausgegangen ist. Der Vorsitzende, Prof. Christoph Meinel, erklärte nach der Veröffentlichung des Schlussdokuments „Darmstädter Erklärung“, Deutschland habe mit dem vorgesehenen Übergang zu den neuen Datenverkehrsregeln im Internet die Chance, in Europa der Vorreiter zu werden. Dabei gelte es, deutsche Interessen wahrzunehmen und die eigenen Standards und Projekte einzubringen. Der Direktor des Hasso-Plattner-Instituts sicherte zu, dass der deutsche IPv6-Rat zusammen mit Bundesregierung, Wirtschaft, Wissenschaft und Internetnutzern schon in Kürze einen konkreten Umsetzungs-Fahrplan für das neue Mega-Netz erarbeiten werde.

Der Rat hat es sich zum Ziel gesetzt, die Notwendigkeit verbesserter technischer Regeln für die Datenübermittlung im Internet ins Bewusstsein der deutschen Öffentlichkeit zu bringen und Maßnahmen zur Einführung der neuen Internetgeneration einzuleiten. „Wir setzen uns dafür ein, dass bis zum Jahr 2010 mindestens ein Viertel der deutschen Nutzer auf die wichtigsten Inhalte und Dienste im neuen IPv6-Internet zugreifen kann“, betonte Meinel. Das entspreche dem Ziel, dass auch die EU-Kommission für alle Mitgliedsländer verfolge.

Der Potsdamer Wissenschaftler deutete an, dass der Übergang vom bislang gültigen Internetprotokoll auf das neue durchaus eine Herausforderung darstelle und sich deshalb über mehrere Jahre erstrecken müsse. „Da sich die bisher verwendeten IPv4-Endgeräte nicht mit denen der neuen Generation verständigen können, sind für eine Übergangszeit Endgeräte erforderlich, die den Parallelbetrieb nach IPv4- und IPv6-Regeln erlauben“, erläuterte Meinel.

Der Vorsitzende des deutschen IPv6-Rats betonte in Darmstadt, Deutschland als führende Exportnation könne es sich nicht leisten, von den asiatischen Märkten abgekoppelt zu werden, wo das Internet der neuen Generation bereits stärker verbreitet sei als in allen anderen Teilen der Welt. „China wie auch andere asiatische Wirtschaftsnationen hatten niemals die Option, ausreichend viele IPv4-Adressen zu erhalten. Deshalb konzentrierte sich die Internetwirtschaft in China von Anfang an auf den Einsatz des Adressierungsverfahrens IPv6“, erläuterte Meinel.

Der Direktor des Hasso-Plattner-Instituts erinnerte daran, dass neben China auch Japan, Australien und die USA das neue Internetprotokoll großflächig einführen. „Große Anbieter wie Google oder Ebay stellen bereits IPv6-fähige Dienste zur Verfügung“, hob der Potsdamer Professor für Internet-Technologien und –Systeme hervor. Solche Angebote nähmen immer mehr zu. Deshalb sei es wichtig, die Anwender handlungsfähig zu halten, indem man sie zu IPv6-Nutzern mache, betonte Meinel und erinnerte daran, dass zwei Drittel der deutschen Bevölkerung einen Internetanschluss haben. Damit sei Deutschland die größte Internet-Nation in Europa und zähle zu den ersten fünf Ländern weltweit. Umso wichtiger sei es, „hier die Infrastrukturen für die digitale Welt zukunftsfähig auszubauen und von Deutschland aus das Internet der Zukunft entstehen zu lassen“, erklärte der Wissenschaftler.

Hintergrund Datenverkehrsregeln im Internet
Das bisherige Regelwerk, international festgelegt in der so genannten Internet-Protokollversion IPv4, gilt schon seit fast 30 Jahren. Es begrenzt die Zahl der Netzanschlüsse rechnerisch auf 2 hoch 32, also knapp 4,3 Milliarden IP-Adressen. Weil gut 600 Millionen Adressen für besondere Zwecke reserviert sind, bleiben ca. 3,7 Milliarden IP-Adressen übrig - zu wenig, um jedem Menschen wenigstens eine Anschlussnummer fürs Netz zuweisen zu können. Der Adressraum dürfte spätestens 2012 ausgeschöpft sein. Derzeit sind laut Expertenberechnungen nur noch 15 Prozent der IP-Adressen verfügbar. Der Druck, den veralteten Internet-Standard durch einen neuen abzulösen, wächst daher stetig. Neben höherer Leistung werden fürs Internet der nächsten Generation vor allem mehr Sicherheit, bessere Fähigkeit zur Anpassung an neue Anforderungen und leichtere Erweiterbarkeit gefordert.

Der neue Standard IPv6, bereits vor zehn Jahren entwickelt (eine Version 5 wurde nie realisiert), schafft Platz für 2 hoch 128 IP-Adressen, also mehr als 340 Sextillionen Netzanschlüsse - eine Zahl mit 37 Nullen. Rechnet man das einmal auf die Erdoberfläche um, entspricht das 667 Billiarden Adressen pro Quadratmillimeter. Somit kann der Traum von einem zukünftigen „Internet der Dinge“, in dem möglichst viele mobile und stationäre Geräte miteinander vernetzt sind, uneingeschränkt verwirklicht werden. Selbst wenn jeder Mensch auf der Erde Dutzende persönlicher Dinge wie Auto, Laptop, Handy, Kühlschrank, MP3-Player oder Medikament übers Internet Daten austauschen ließe, wäre die mögliche Zahl an „Hausnummern“ der Netzanschlüsse bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Was sind die weiteren wesentlichen Vorteile gegenüber der bisherigen Version? Das neue Mega-Netz

  • teilt IP-Adressen automatisch zu
  • spart durch vereinfachte und feste Etikettierung der Datenpakete (Header) Rechenleistung, entlastet die Router als Verbindungsknoten im globalen Internet und beschleunigt so den Datendurchsatz 
  • sorgt für eine kostengünstigere Netzwerkadministration
  • erleichtert durch einfache Umnummerierung den Wechsel ganzer Firmennetze von einem Internetanbieter zum anderen
  • bietet die Möglichkeit, seinen Laptop mit der heimischen IP-Adresse auch weltweit an jedem anderen Zugangsort zu nutzen, zum Beispiel auf Konferenzen oder im Bereich eines WLAN-Hotspots
  • sorgt durch höhere Sicherheitsstandards für angemessene Verschlüsselung bei der Datenübertragung von Rechner zu Rechner
  • macht eine neue Servicequalität für Datenübertragungen in Echtzeit möglich, zum Beispiel für Internet-Telefonie und Internet-TV. IPv6 sieht dafür ein Adressfeld vor, das bei der Datenpaketverarbeitung dazu genutzt werden kann, unterschiedliche Dienste differenziert zu behandeln. Das Ganze ist derzeit in der experimentellen Phase.

Kurzprofil Deutscher IPv6-Rat
Der am 6. Dezember 2007 in Potsdam gegründete IPv6-Rat (www.ipv6council.de) ist der deutsche Landesverband des internationalen IPv6-Forums, dem mehr als 50 nationale Gremien angehören. Ziel ist es, alle nationalen Akteure aus Industrie, Forschung, Politik und Verwaltung, die mit der nächsten Internetgeneration befasst sind, zu vereinen und die Einführung des neuen Internet-Protokolls voranzutreiben. Dies soll durch die Sensibilisierung von Endnutzern und Industrie für ein ausgereiftes und sicheres Internet sowie durch Verbesserungen in Technik und Vermarktung erreicht werden. Dem Gremium gehören derzeit gut ein Dutzend Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an.

Kurzprofil Hasso-Plattner-Institut
Das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik GmbH (HPI) in Potsdam ist Deutschlands universitäres Exzellenz-Zentrum für IT-Systems Engineering. Als einziges Universitäts-Institut in Deutschland bietet es den Bachelor- und Master-Studiengang „IT-Systems Engineering“ an – eine praxisnahe und ingenieurwissenschaftlich orientierte Alternative zum herkömmlichen Informatik-Studium, die von derzeit 450 Studenten genutzt wird. Insgesamt 50 Professoren und Dozenten sind am HPI tätig. Es betreibt exzellente universitäre Forschung – auch für erste Adressen der Wirtschaft. Vor allem geht es um Grundlagen und Anwendungen für große, hoch komplexe und vernetzte IT-Systeme.