Hasso-Plattner-InstitutSDG am HPI
 

21.10.2019

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Interview mit Prof. Werner Zorn

Am 29. Oktober feiert das Internet seinen 50. Geburtstag. Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zum Erfolg war die Erfindung der E-Mail durch Ray Tomlinson Anfang der siebziger Jahre. Die erste E-Mail in Deutschland kam am 3. August 1984 in Karlsruhe bei Professor Werner Zorn (77) an, der 2001 ans Hasso-Plattner-Institut (HPI) berufen wurde.

Im Interview spricht Prof. Zorn darüber, wie es dazu kam, dass er der Empfänger dieser E-Mail war, wie eine solche E-Mail damals aussah und wieso es nach der Verknüpfung der ersten Rechner noch so lange bis zur ersten E-Mail dauert.

Herr Professor Zorn, Sie erhielten 1984 die erste deutsche E-Mail, bzw. die erste CSNET/ARPANET E-Mail. Wie kam es dazu, dass gerade Sie der Empfänger waren?

WZ: Hintergrund und Vorgeschichte dieser „ Ersten deutschen E-Mail“ war das vom Bundesforschungsministerium BMFT im Jahr 1983 gestartete Verbundprojekt „Deutsches Forschungsnetz“, in welchem ich als damaliger Professor und Leiter der Informatik-Rechnerabteilung (IRA) an der Universität Karlsruhe mit drei Projekten beteiligt war, eines davon mit dem Titel „Interkonnektion von Netzen“. Im Projektantrag vom November schrieb ich damals:

„Die geplante Interkonnektion zwischen dem DFN und CSNET erscheint aufgrund der über CSNET zugänglichen Institutionen weit über den Bereich der Informatik hinaus von großer Bedeutung für das DFN zu sein. Hauptsächlich die internationalen Kooperationen, die hierdurch erleichtert werden, können am ehesten dazu beitragen, vorhandene nationale Know How-Rückstände aufzuholen.“

Die besagte erste E-Mail vom 02./03.1984 war dabei ein wichtiges Ergebnis und gleichzeitig der erste Meilenstein auf einem langen, bis heute noch verfolgten Weg ins und im Internet.

Die Mail erhielt ich nicht nur als Projektleiter, sondern vom CSNET- CIC (Coordination and Information Center) als admin-c (hieß damals administrative liaison), d.h. zum Hauptverantwortlichen der CSNET-Domäne Germany, was mir später seitens des DFN- Verantwortlichen viel Ärger eintrug und als Sofortmaßnahme die Beendigung aller meiner BMFT-Projekte…

Wie viel Ähnlichkeit hatte diese erste E-Mail mit einer heutigen E-Mail?

WZ: Bis auf die Mail-Adressen große, denn es gab 1984 noch keine übergreifende Domänen-Adressierung, welche erst 1986/87 eingeführt wurde, sodass jedes der - außerhalb Deutschlands - bereits existierenden Computernetze andere Formate hatte. Bei Mail-Kommunikation über Netzgrenzen hinweg ergaben sich zum Teil so lange und komplizierte Zeichenfolgen, dass diese als „Adress-Symphonien“ bezeichnet wurden. Im CSNET hatte ich damals die schöne Adresse zorn@germany, woraus zu schließen ist, dass es damals in Germany nur wenige Nutzer gab – was auch so war. Im Dez 1987 stieg ich dann auf zorn@ira.uka.de um, worunter ich auch heute noch zu erreichen bin.

Warum dauerte es seit der ersten Verknüpfung von zwei Rechnern 1969 dann noch 15 Jahre, bis eine E-Mail in Deutschland empfangen werden konnte?

WZ: Das 1969 mit 4 Knoten gestartete ARPANET war vom US Departement of Defence (DoD) gefördert und somit nicht frei verfügbar. Mit der Umstellung auf TCP/IP Anfang 1983 bei gleichzeitiger Zusammenführung der DoD-finanzierten Knoten im separaten MILNET begann mit dem Internet die Offnung des Netzes. CSNET (Computer Science Network) mit E-Mail als einzigem Service diente strategisch als Internet-Zugang für alle Institutionen ohne besondere Sicherheitsauflagen, vor allem außerhalb der USA. Zur Erinnerung: In den 80ern herrschte zwischen Westen und Osten immer noch Cold War, so dass Security- sensible Rechnerzugänge für Remote Dialog oder File Transfer nicht erforderlich waren.

Kurz gesagt war die erst 1983 verfügbare CSNET E-Mail-Software für uns die erste und einzige Möglichkeit des Zugangs zum internationalen E.Mail – Verbund mit gleichzeitiger Option einer späteren Einführung der vollen Internet-Dienste, was dann 4 Jahre später mit dem Karlsruher XLINK – Dienst und 1993 dem gleichnamigen Startup (1993) auch passierte.

Zurück zur Frage; warum es nach dem ARPANET-Start 1969 noch 15 Jahre dauerte bis zur ersten deutschen Internet E-Mail 1984. Aus meiner Sicht als RZ-Leiter: weil es bis dahin gar keinen Bedarf gab! Mit wem soll man denn per E-Mail kommunizieren, wenn man der einzige Nutzer in (West-) Deutschland ist!? Übrigens: die DDR existierte noch, sodass der Domänenname germany oder Deutschland damals durchaus problematisch war,

Wie haben Sie sich 1984 die Entwicklung des Internets in den nächsten 20, 30 Jahren vorgestellt? Haben Sie damit gerechnet, dass die E-Mail und das Internet ganz selbstverständlich zur Lebensrealität dazugehören?

WZ: E_Mail schon. Zum heutigen und künftigen Internet nicht - frei nach G.B. Shaw: „Prognosen sind schwierig, besonders über die Zukunft.“ Mehr dazu vielleicht in einem späteren Interview.

Ab wann wurde die E-Mail für Sie das Hauptkommunikationsmittel im wissenschaftlichen Bereich?

WZ: ab 1984 und ist es bis heute geblieben.

Empfohlene Quellen für weiter Interessierte: