Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
 

02.05.2008

Potsdam. Internetpionier und Google-Vorstandsmitglied Dr. Vinton Cerf hat an die Computernutzer appelliert, bei den Internetanbietern auf die zügige Einführung der neuen Generation des weltweiten Rechnernetzes zu drängen. Der 64-jährige Informatiker, der zusammen mit Dr. Robert Kahn (69) als einer der beiden Väter des Internets gilt, kleidete seinen Aufruf in eine Video-Botschaft an die Teilnehmer einer am kommenden Mittwoch am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam beginnenden Expertentagung.

Cerf, der in den siebziger Jahren eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung der Protokolle für die Datenverkehrsregelung im Internet spielte, wies darauf hin, dass der neue Internetstandard IPv6 von den meisten Softwareunternehmen schon seit einigen Jahren in Betriebssysteme und Anwendungen eingebaut worden sei. Jedoch hätten die Internetserviceanbieter ihre Router, also die Verbindungsglieder der einzelnen Netzwerke im weltumspannenden Internet, noch nicht unbedingt auf den Nachfolger des seit 1981 geltenden Standards IPv4 eingestellt. Das Kürzel IP steht für "Internet-Protokoll" und bezeichnet das Verfahren, mit dem sich Computer und Geräte im weltweiten Netz verknüpfen.

Der Mitgründer und langjährige Vorstandsvorsitzende der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN), einer Art internationaler Verwaltungsrat des Netzes, sagte in seiner Video-Botschaft, der Übergang auf das neue Internet sei nicht leicht. "Wir können nicht einfach umschalten und sagen, ab morgen gibt es nur noch IPv6", betonte Cerf. Notwendig sei ein Parallelbetrieb von altem und neuem Standard. "Wenn im Netz dann aber etwas falsch läuft, kann es die Probleme sowohl in Protokollversion Vier als auch Sechs geben", sagte der US-Internetpionier, der auch Gründer der Internet Society (ISOC), der zentralen Interessensvertretung des Internets, ist. So müsse zum Beispiel geklärt werden, wie die Netzwerkmanagementsysteme mit widersprüchlichen Meldungen über die Lenkung der Datenpakete, das so genannte Routing, in beiden Protokollversionen umgehen sollen.

Der "Chief Internet Evangelist" des Suchmaschinen-Anbieters Google mahnte zur Eile beim Übergang auf die neue Internetversion. Er schätzt, dass "irgendwann zwischen 2010 und 2011" keine alten IPv4-Adressen mehr verfügbar sein dürften, um neue Router und Webserver ans Internet anzubinden. Deshalb würden künftig immer mehr Netzanschlussnummern vergeben, die ausschließlich IPv6-tauglich seien. "Denken Sie daran, dass von insgesamt drei Milliarden Mobiltelefonen weltweit bereits 415 Millionen internetfähig sind und dass der Anteil solcher Handys weiter steigt", betonte Cerf. Außerdem nehme die Internetnutzung jährlich um rund 40 Prozent zu. So habe zum Beispiel China mit 220 Millionen Internetnutzern kürzlich die USA überholt.

Der Google-Vizepräsident sagte, sein Suchmaschinen-Unternehmen habe den neuen Internetstandard bereits in einzelnen Testanwendungen eingesetzt, könne ihn für die Allgemeinheit derzeit aber noch nicht offiziell anbieten. "Wir arbeiten aber für alle unsere Anwendungen intensiv daran", unterstrich Cerf.

Prof. Christoph Meinel, Direktor des Hasso-Plattner-Instituts und Vorsitzender des deutschen IPv6-Rats, dankte Cerf für seine Initiative und für seine Unterstützung der Aktivitäten des Gremiums in Deutschland. Meinel kündigte an, den Träger des Turing Award, einer nobelpreisähnlichen Auszeichnung für Informatiker, in die Entwicklung eines IPv6-Fahrplans für Deutschland einzubeziehen.

Auf dem zweitägigen Gipfeltreffen in Potsdam, das am 7. Mai beginnt, befassen sich rund 70 Experten aus dem In- und Ausland mit der Frage, wie der Übergang auf die neue Internetgeneration IPv6 in Deutschland vorangetrieben werden soll. Veranstalter sind das Hasso-Plattner-Institut für Softwaresystemtechnik (http://www.hpi-web.de) und der deutsche IPv6-Rat (http://www.ipv6council.de). Die für Informationsgesellschaft und Medien zuständige EU-Kommissarin Viviane Reding ist an dem "IPv6 Summit" mit einem Video-Grußwort beteiligt.

Die öffentliche Tagung bietet rund 30 Vorträge und Workshops rund um den Einsatz der neuen Internettechnologie. Sie verspricht vor allem mehr Sicherheit, höhere Leistung, bessere Fähigkeit zur Anpassung an neue Anforderungen und leichtere Erweiterbarkeit. Behandelt werden sowohl der Stand der IPv6-Vorbereitungen in Europa, den USA, China, Japan, Süd-Korea und Indien als auch die Perspektiven des neuen Standards aus der Sicht von Netzbetreibern und Zugangsanbietern sowie von öffentlichen Institutionen, zum Beispiel in den Bereichen Verwaltung, Bildung und Militär. Parallel zum Konferenzprogramm am 8. Mai wird ein halbtägiges IPv6-Tutorium angeboten.

Hinweis für Redaktionen:

Die Video-Botschaft von Dr. Vinton Cerf ist hier zu finden: www.ipv6council.de/fileadmin/summit08/vint_cerf_germany_2008_04_29_goog.wmv

Ein Hintergrundpapier zum notwendigen Übergang auf den neuen Internetstandard IPv6 findet sich hier: www.ipv6council.de/fileadmin/summit08/PM_Hintergrund_IPv6.pdf