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Hanadi Traifeh

Design Thinking in der Arabischen Welt: Perspektiven, Herausforderungen und Potentiale

Design Thinking ist ein nutzerzentrierter Innovationsansatz, der in den letzten zehn Jahren weltweit an Bekanntheit gewonnen hat. Während die Verbreitung von Design Thinking im westlichen Kulturkreis – insbesondere in Europa und den USA – aufgrund der Bedeutung des Stanford-Potsdam Design Thinking-Ausbildungsmodells gut verstanden und dokumentiert ist, ist dies nicht der Fall, wenn es sich um nicht-westliche Kulturkreise handelt. Diese Arbeit schließt eine Lücke in der Literatur darüber, wie Design Thinking in der arabischen Welt entstanden ist, wahrgenommen, angenommen und praktiziert wurde. Die vorhandenen kulturellen Unterschiede zwischen der westlichen und der arabischen Welt wirken sich auch auf  die Denkweise der Menschen aus, unddarauf, wie sie mit Design Thinking-Tools und -Methoden umgehen.

Es wurde ein ‚Mixed Methods‘-Forschungsansatz verfolgt, d.h. sowohl quantitative als auch qualitative Methoden wurden eingesetzt. In der quantitativen Phase kamen zunächst zwei Methoden zum Einsatz: eine Social-Media-Analyse mit Twitter als Datenquelle und ein Online-Fragebogen. Die Ergebnisse und die Analyse der quantitativen Daten bildeten die Grundlage für die Gestaltung der qualitativen Phase, in der zwei Methoden angewendet wurden: zehn halbstrukturierte Interviews und die teilnehmende Beobachtung von sieben Design Thinking-Trainings.

Den analysierten Daten zufolge scheint es in der arabischen Welt seit 2006 eine frühe, wenn auch relativ schwache und langsame Einführung von Design Thinking gegeben zu haben. In den letzten zehn Jahren ist jedoch eine zunehmende Akzeptanz zu beobachten, insbesondere in Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten. Die Ergebnisse zeigen auch, dass Design Thinking trotz seiner begrenzten Verbreitung am häufigsten im Bildungswesen, in der Informationstechnologie und Kommunikation, in der Verwaltung und im Non-Profit-Sektor angewandt wird. Die Art und Weise, wie Design Thinking praktiziert wird, stimmt jedoch nicht vollständig mit der Art und Weise überein, wie es in den USA und Europa praktiziert und gelehrt wird, da die meisten Menschen in der Region nicht unbedingt an alle Denkattribute glauben, die im Stanford-Potsdam-Modell eingeführt wurden.

Die Praktiker in der arabischen Welt scheinen auch vor der "wilden Seite" des Design Thinking zurückzuschrecken und die Verbindung zwischen Kunst und Design auf der einen sowie Wissenschaft und Technik auf der anderen Seite nicht vollumfänglich zu schätzen. Dies wirft die Frage nach der Rolle von Bildungseinrichtungen in der Region auf, da sie - den Ergebnissen zufolge - die Bewegung zur Förderung und Entwicklung von Design Thinking in der arabischen Welt anzuführen scheinen. Nichtsdestotrotz ist es bemerkenswert, dass sich die Menschen der positiven Auswirkungen der Anwendung von Design Thinking in der Region und seines Potenzials, sinnvolle Veränderungen zu bewirken, bewusst zu sein scheinen. Sie scheinen jedoch auch besorgt zu sein über die aktuellen kulturellen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, die diese Transformation in Frage stellen könnten. Daher fordern sie eine stärkere Sensibilisierung und die Schaffung von arabischen, kulturell angemessenen Programmen, um auf die lokalen Bedürfnisse einzugehen. Auch das Fehlen arabischer Inhalte und lokaler Fallstudien zu Design Thinking wurde von mehreren Befragten genannt und durch die teilnehmende Beobachtung bestätigt, da dies die Verbreitung von Design Thinking verlangsamt oder den Aufbau von Kapazitäten in der Region behindert. Weitere Herausforderungen, die sich aus der Studie ergaben, sind: die Veränderung des Mindsets der Menschen, das Fehlen spezieller Design-Thinking-Räume und der Bedarf an klaren Anweisungen zur Anwendung von Design-Thinking-Methoden und -Aktivitäten. Das Konzept von Zeit und der Umgang der arabischen Welt damit, Gender-Management während der Schulungen sowie Hierarchie und Machtdynamik unter den Schulungsteilnehmern gehören ebenfalls zu den identifizierten Herausforderungen. Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist die Bestätigung von التفكير التصميمي als dem in der Region am weitesten verbreiteten arabischen Begriff für Design Thinking, da vier weitere arabische Begriffe mit Design Thinking in Verbindung gebracht werden konnten.

Basierend auf den Ergebnissen der Studie schließt die Arbeit mit einer Liste von Empfehlungen, wie die genannten Herausforderungen überwunden werden können und welche Faktoren bei der Entwicklung und Implementierung von kulturell angepassten Design Thinking-Trainings in der arabischen Welt berücksichtigt werden sollten.