Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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Harry Freitas da Cruz

Standardisierung der Entwicklung, Validierung, und Interpretation von klinischen Vorhersagemodellen

Die Zahl der jährlich veröffentlichten Vorhersagemodelle in verschiedenen medizinischen Fachrichtungen nimmtstetig zu. Solche prognostischen oder diagnostischen Modelle helfen bei der medizinischen Entscheidungsfindung,indem sie zum Beispiel Vorhersagen zur Mortalität oder zum Krankheitsverlauf erlauben. Obwohl bereits Softwarewerkzeuge für die Entwicklung klinischer Vorhersagemodelle existieren, genügt der Stand der Technik nochimmer nicht den Anforderungen klinischer Wissenschaftler. So kommt es, dass aktuelle Softwarewerkzeuge zur Modellentwicklung entweder 1) auf die Anforderungen von Datenwissenschaftlicher zugeschnitten sind und folglichProgrammierkenntnisse voraussetzen, oder 2) zu generisch sind und somit den tatsächlichen Anforderungenklinischer Wissenschaftler nicht gerecht werden. Überdies wird die Reproduzierbarkeit der Modelle sowie die Durchführung und Validierung von Experimenten durch verteilte Datenbestände und Informationen, sogenannte Datensilos, stark eingeschränkt. Ähnlich verhält es sich bei der Akzeptanz von Modellen des maschinellenLernens, welche ohne

interpretierbare Erklärungen von Vorhersagen kaum gegeben sein dürfte. Eine auf diese Anforderungen klinischerModellbildung ausgerichtete Softwarelösung kann dabei helfen, die identifizierten Herausforderungen bezüglich Modellentwicklung, -validierung und -interpretation zu bewältigen und die Akzeptanz und Nutzung unter Klinikern zustärken. Um den Modellierungsprozess zu verstehen und zu eruieren, in welchem Ausmaß eine angemesseneSoftwarelösung den Stand der Technik voranbringen könnte, wurden im Zuge dieser Arbeit Interviews mit praktizierenden Modellierern im Gesundheitsbereich geführt. Daraus leiten sich funktionale und nichtfunktionale Anforderungen ab, die als Grundlage eines Softwareartefaktes für die Modellierung von Outcome- und Risikovorhersagen in der Gesundheitsforschung verwendet wurden. Um die Eignung meines Ansatzes zu verifizieren, habe ich den Anwendungsfall „akutes Nierenversagen“ im Bereich der Nephrologie in zwei verschiedenen Krankenhäusern betrachtet und validiert. Darüber hinaus wurde eine Nutzerevaluierung durchgeführt um herauszufinden, ob ein solcher Ansatz im Vergleich zum Stand der Technik Vorteile bietet undinwieweit klinische Praktiker davon profitieren können. Außerdem müssen praktizierende Kliniker bei der Aktualisierung von Modellen für die externe Validierung Ansätze zur Merkmalsselektion anwenden, da elektronischeGesundheitsakten in der Regel mehrere erklärende Merkmale enthalten. Aufbauend auf Methoden zurInterpretierbarkeit habe ich einen erklärungsorientierten rekursiven Eliminierungsansatz entwickelt. Dieser neue Ansatz wurde umfassend mit Standardverfahren der Merkmalsselektion verglichen. Daraus leiten sich folgende Forschungsbeiträge dieser Arbeit ab: 1) Entwurf und Entwicklung eines Softwareartefakts, welches auf diespeziellen Bedürfnisse der klinischen Modellierungsdomäne zugeschnitten ist, 2) Demonstration seiner Anwendbarkeit für das konkrete Fallbeispiel „akutes Nierenversagen“ und 3) Entwicklung und Evaluierung einesneuen, auf Interpretierbarkeitsmethoden basierenden Ansatzes, zur Merkmalsselektion in einemValidierungskontext. Zusammenfassend ist zu folgern, dass ein geeignetes auf Standardisierung undParametrisierung gestütztes Tool die schnelle prototypische Entwicklung und die Zusammenarbeit von Klinikern undDatenwissenschaftlern an klinischen Vorhersagemodellen unterstützen kann.