Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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29.10.2020

News

Mut zur Diskussion: HPI-Wissenschaftler unterstützen Medien bei der Bearbeitung von Leserkommentaren mit KI

Ein Großteil der Kommunikation zwischen Journalist und Leserschaft findet heute in den Kommentarspalten von Online-Artikeln statt. Dabei macht es die enorme Masse an Kommentaren für Journalisten unmöglich, auf alle Beiträge einzugehen, die eine Antwort von ihnen erfordern. Das frustriert sowohl die Leser als auch die Berichterstattenden. Die HPI-Wissenschaftler Julian Risch und Dr. Ralf Krestel forschen deshalb an einer Lösung, die Medienschaffende unterstützt, die relevanten Kommentare zu filtern.

Forschungsprojekt: "A Dataset of Journalists’ Interactions with Their Readership: When Should Article Authors Reply to Reader Comments?"

Eigentlich dienen die Kommentarspalten unter digitalen Zeitungsartikeln dem Austausch der Leserinnen und Leser untereinander. Trotzdem richtet sich ein wichtiger Teil der Kommentare auch direkt an die Journalistin oder den Journalisten. Die Kommentatoren stellen Fragen, regen neue Themen an oder weisen auf Fehler im Text hin. Viele dieser Kommentare bleiben aufgrund der schieren Masse unbeantwortet. Der wichtige Dialog zwischen Medium und Leserschaft findet oftmals kaum oder gar nicht statt.

Von 51 Millionen Kommentaren wurden rund 19.000 beantwortet

Dr. Ralf Krestel, Senior Researcher am Fachgebiet Informationssysteme, und Julian Risch, Doktorand am gleichen Fachgebiet, haben nun ein Modell entwickelt, das dabei helfen soll, die relevanten Kommentare für Medienschaffende herauszufiltern. Dieses basiert auf einem Datensatz von rund 38.000 Leserkommentaren und 19.000 Antworten der Journalistinnen und Journalisten unter Onlineartikeln der britischen Zeitung The Guardian. Mithilfe der Daten haben die Forscher ein System entwickelt, das Medienschaffenden in einer Rangliste diejenigen Kommentare anzeigen soll, die eine Reaktion von ihnen benötigen.

„Zunächst haben wir untersucht, auf welche Kommentare Journalistinnen und Journalisten überhaupt antworten. Von den insgesamt 51 Millionen Beiträgen in den Kommentarspalten des Guardian konnten wir 18.877 Kommentare herausfiltern, die von den Journalistinnen und Journalisten beantwortet wurden,“ berichtet Krestel. Für die Analyse erhoben die Forscher außerdem die Antworten der Medienschaffenden sowie eine zufällige Auswahl von unbeantworteten Kommentaren.

Negative Kommentare erhielten die meisten Antworten

Mittels Data Labeling und Machine Learning erörterten Krestel und Risch dann die Eigenschaften der beantworteten Kommentare. Die Maschine ordnet die Kommentare automatisch in bestimmte Kategorien ein, wie etwa persuasive, controversial oder informative (zu Deutsch: überzeugend, kontrovers oder informativ). In einem zweiten Schritt erhoben die Wissenschaftler aus den Antworten der Journalistinnen und Journalisten die Gründe, warum letztere auf bestimmte Kommentare reagiert haben. „Mit dieser Vorgehensweise konnten wir herausfinden, dass Medienschaffende besonders oft auf negative Kommentare sowie auf Anregungen eingehen“, fasst Krestel zusammen.

Aus den erhobenen Daten erstellten Krestel und Risch ein Ranking der für eine Antwort relevanten Kommentare. Das neuronale Netz vergleicht hierfür paarweise die gelabelten Kommentare, die eine Antwort erhalten haben, mit Beiträgen, auf die nicht reagiert wurde.

Für eine bessere Beziehung zwischen Online-Zeitung und Leserschaft

„Mit unserem Ansatz wollen wir dazu beitragen, dass Journalistinnen und Journalisten besser auf die Bedürfnisse ihrer Leserschaft eingehen können. Das kann langfristig die Beziehung zwischen beiden Gruppen stärken“, so Risch. „Wir hoffen, dass dies ein Schritt hin zu Gesprächen ohne Hassreden oder respektlosen Äußerungen in Online-Kommentarspalten ist,“ fügt Krestel hinzu.

An Lösungen für einen milderen Umgangston im Netz forschen die beiden HPI-Wissenschaftler schon länger. In einer vorhergehenden Studie erarbeiteten Krestel und Risch ein Modell zur Erkennung von Hasskommentaren.