Wie hast Du von dem Stipendium erfahren und was hat Dich schließlich dazu bewogen, Dich dafür zu bewerben?
Ich bin vor ein paar Jahren darauf gestoßen, als ich mich über Möglichkeiten für Auslandsaufenthalte informierte. Ursprünglich wollte ich nach meinem Bachelor-Abschluss ein Praktikum im Ausland absolvieren, doch aufgrund der Corona-Pandemie wurden die meisten Praktika nur in „remote“ angeboten. Ich änderte meine Pläne und entschied mich für ein Austauschjahr. Fulbright Germany war die einzige Möglichkeit, ein Studium in den USA zu finanzieren, also habe ich es probiert und mich beworben.
Was musstest Du bei der Bewerbung für das Stipendium beachten? Gab es Hindernisse?
Es gab einige Dinge zu beachten: Erstens, muss man die Frist einhalten, die normalerweise ein Jahr vor Beginn des Programms endet. Zweitens, braucht man zwei Empfehlungsschreiben von Professor:innen. Die HPI-Professor:innen waren wirklich sehr hilfsbereit und verfassten nach einem Gespräch mit ihnen ein Empfehlungsschreiben für mich. Drittens, müssen zwei Essays geschrieben werden, eines über sich selbst und eines über das Forschungsziel. Sie sind die Grundlage für die erste Entscheidung im Bewerbungsverfahren. Ich habe beide Essays mehrmals komplett umgeschrieben bis ich zufrieden war. Schließlich aber gab es aufgrund der Corona-Pandemie noch einige weitere Hürden, die es zu überwinden galt. Besonders spannend dabei war, dass die USA eine Ausnahmegenehmigung von nationalem Interesse erteilen musste, damit ich einreisen durfte oder dass mein Visum erst zwei Tage vor Abflug genehmigt wurde.
Was studierst Du?
Ich studiere nun Neurowissenschaften, auch wenn sich das von meinem Studiengang IT-Systems Engineering (ITSE) am HPI sehr unterscheidet. Ich wollte schon immer in die Wissenschaft gehen. Ich konnte mich nach dem Abitur aber nicht auf ein Fach festlegen und entschied mich für ITSE. Ich sah die Informatik als ein Werkzeug und dachte, dass ich nach meinem Bachelor-Abschluss immer noch eine empirische Wissenschaft wählen kann. Während meiner Bachelorarbeit habe ich eine medizinische App entwickelt, um drahtlose Wearables mit einem Smartphone zu verbinden. Genervt von all den Bluetooth-Verbindungsproblemen, die mit den einfachen Sensoren auftraten, überzeugte ich meinen Betreuer, ein EEG-Gerät für meine Abschlussarbeit zu kaufen. Ein EEG ist im Grunde genommen ein Bündel von Elektroden, die auf dem Kopf einer Person angebracht werden und die Synchronisation von Neuronen im Gehirn messen. Auf diese Weise entdeckte ich meine Leidenschaft für die Wissenschaft wieder und beschäftigte mich mit den Neurowissenschaften.
Als ich mich entscheiden musste, was ich während des Fulbright-Austauschjahres studieren wollte, war die naheliegende Antwort Informatik oder Künstliche Intelligenz (KI). Da das HPI bereits viele großartige Möglichkeiten bot, sich Wissen in diesen Bereichen anzueignen, entschloss ich mich letztendlich für Neurowissenschaften, da ich eine Verbindung zur Künstlichen Intelligenz sah. Ich wollte untersuchen, ob es Dinge gibt, die wir über das menschliche Gehirn wissen, die auch in der KI Anwendung finden könnten.
Wie sieht Dein Alltag in NYC während Deines Auslandssemesters aus?
Da ich das 2-Jahres-Programm in nur einem Jahr absolvieren möchte, sind meine Tage ziemlich vollgepackt. Am Morgen geht es zur ersten Vorlesung in die Universität. Diese sind viel länger als in Deutschland und ziemlich interaktiv, da die Klassen klein sind. Nach der Vorlesung esse ich mit meinen Kommiliton:innen zu Mittag in Korea Town, um günstig zu essen. Günstig in NYC zu essen bedeutet, dass es „nur“ sechsmal teurer ist als die Mensa am Griebnitzsee!
Neben den Vorlesungen verbringe ich viel Zeit in einem Labor in Queens mit meiner Forschung über genetisch kodierte Kalzium-/Transmitterindikatoren. Diese Proteine können verwendet werden, um Konzentrationsänderungen bestimmter Neurotransmitter in einem lebenden und funktionierenden Gehirn zu messen. Unser Hauptziel ist es herauszufinden, wie das Dopamin-System funktioniert. Das ist wichtig, weil viele Nervenkrankheiten wie Parkinson, Schizophrenie, Tourette-Syndrom, Sucht und Depression mit einer Fehlfunktion des Dopamin-Systems in Verbindung gebracht werden.
Gegen 21 oder 22 Uhr am Abend fahre ich dann nach Hause. Obwohl es spät ist, bin ich nie der Letzte, der geht. Die Leute in New York arbeiten einfach die ganze Zeit. Am Abend ist dann Zeit zum Kochen, Sporttreiben, Spazieren oder meine Mitbewohner:innen zu treffen. An den Wochenenden gehen wir oft aus, denn es gibt eine unendliche Anzahl an Bars und Restaurants. Außerdem versuche ich jede Woche einen neuen Teil von New York zu entdecken. Neben der Größe der Stadt, der Architektur und den hohen Gebäuden, begeistert mich die Atmosphäre hier. Man wacht auf und hört Autohupen und Sirenen. Vor jedem Gebäude stehen Pförtner und alle haben es eilig. Auch nachts wird es nicht ruhig, sogar die Supermärkte bleiben durchgehend geöffnet.
Hast Du schon Pläne für die Zeit nach Deinem Auslandsaufenthalt?
Mein Plan ist es, mein Forschungsprojekt im Sommer fortzusetzen und zum Wintersemester zurückzukommen. Da ich im Sommer nächsten Jahres meinen Abschluss am HPI machen möchte, stellt sich die Frage: Was kommt danach? Diese Frage kann ich im Moment noch nicht beantworten, aber höchstwahrscheinlich werde ich entweder einen PhD beginnen oder ein Startup im Bereich KI oder Neurowissenschaften gründen.
Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Dir alles Gute für Deine zukünftigen Pläne und weiterhin viel Erfolg!