Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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Blick auf Deutschland

Blick auf Deutschland

Lassen Sie mich nach einem Überblick über die Internet- Landschaft gleich mitten reinspringen in das Deutsche Internet und unterschiedlichen Bewertungskriterien betrachten:

 

 

Beurteilungskriterien

  • Hostcount
  • Internet-Teilnehmer/1000 EW
  • Domänen/#Firmen
  • Gebühren/Bandbreiten
  • Performance
  • Netzzentren(internationale)
  • RFCs
  • SpinOffs
  • Internet- Landschaft (ISP, Online)
  • Umsätze, GuV, Kapital
  • Topologie, Interkonnektivität
  • Informationsdienste(Web- Server, Suchmaschinen, Fachzeitschriften)
  • Globale Angebote aus .DE
  • Electronic Business
  • Internationale Wettbewerbsfähigkeit(Netz- Firmen, Service Provider)
  • Anteil am BSP
  • Wirksamkeit der öffentlichen Förderung(DFN, EU)

Der in der deutschen Öffentlichkeit bisher nicht wahrgenommene, aber ohne Zweifel alarmierendste Indikator ist der, daß bisher kein einziger Internet- Standard von Deutschland aus gesetzt wurde. Unter den ca. 2.100 Internet Standardisierungsvorschlägen, den sogenannten RFCs (Request for Comments), die seit 1969 erstellt wurden, gibt es

        0 ( in Worten "Null" ) von einer deutschen Firma

und lediglich

        3 aus den Wissenschaftsbereich,

wovon einer (RFC 1329) aus einer Diplomarbeit an der TU München entstand, der zweite (RFC 1814) aus dem Security Projekt E.I.S.S. an der Universität Karlsruhe, der von den USA aus politischen Gründen ignoriert wurde und ein dritter (RFC 1890) über Audio/Video- Transport, der im Rahmen der Mitarbeit eines GMD- Institutes(Fokus) in einer internationalen Workinggroup entstand.

Dabei ist nicht so, daß die RFCs eine rein US- amerikanische Domäne wären. Stellvertretend seien 3 RFCs erwähnt, die mittlerweile wichtigste Dienste im Internet begründet haben:


    RFC 1459 von Jarkko Oikarinen über den IRC aus FI(Mai 93)

    RFC 1597 vom RIPE in Amsterdam u.a. über CIDR(März 94)

    RFC 1630 von Tim Burnus Lee über den URL/WWW am CERN in Genf (Juni 94)

Und selbst in der ureigensten europäischen ISDN- Domäne mußte mit dem

    RFC 1618 von W.Simpson, Daydreamer Corp. über PPP over ISDN(Mai 94)

der Standard aus den USA kommen. Wenigstens konnte sich der Autor mit einem Acknowledgement bei Oliver Korfmacher von der Fa. NetCS in Berlin für die Beisteuerung von technischen Details bedanken.

0 RFC’s von einer deutschen Firma ist gleichzusetzen mit 0 Patenten, 0 Veröffentlichungen, 0 Mitarbeit, 0 Reputation, 0 Akzeptanz, 0 Produkte, 0 Marktanteile, 0 Perspektive.

Die Auswirkungen lassen sich leicht am Markt verifizieren.

    es gibt de facto keine originäre deutsche IP Netz- Industrie und

    es gibt fast überhaupt keine deutsche Rechnernetz- Industrie mehr.

  • Keines der international wichtigen Netzzentren liegt in .DE. Unter der Überschrift "Das neue Silicon Valley liegt am Potomac" berichtet die FAZ in ihrer Ausgabe vom 3.1.97, daß sich in der Wirtschaftsregion "Greater Washington" inzwischen so viele High Tech - Firmen angesiedelt haben wie um Boston herum. Washington ist mit dem Global Internet eXchange GIX, mae east(metropolitan area ethernet "east"), dem Sitz der Internet Society das Netzzentrum der USA und beherbergt Firmen wie AOL, UUNET, PSINet, Cybercash u.v.a.m., alle zusammen ca. 1.200.
  • Es gibt weder einen deutschlandweiten neutralen Backbone noch freien Adreßaustauch (sog. Peering) zwischen allen Service Providern an mindestens einem Austauschpunkt.

  • Von ca. 3.9 Mio Gewerbebetrieben besitzen nur ca. 1 % eine eigene aktive Domäne.
  • Sieht man sich das Web- Angebot von Firmen, Gewerbetreibenden oder auch City- Informationssystemen an, so stellt man enttäuscht fest, daß die meisten Seiten passiv sind. Der Grund: die für direkte Bestellungen übers Internet erforderlichen Online- Auftragsabwicklungs und -Warenwirtschaftssysteme fehlen zumeist.

  • Obwohl 20% der europäischen Internet Hosts in der Domain .DE gezählt werden, liegt Deutschland - bezogen auf die Bevölkerungsgröße - Ende 1996:
    weltweit auf Platz 14
    europaweit auf Platz 10
  • weit abgeschlagen hinter Skandinavien, Nordamerika, den Commonwealth- Ländern, den Niederlanden, der Schweiz u.a. (s. Business Online 1-2/97(S.8): "Deutschland ist Internet- Schlußlicht" u. auch EITO 97, S. 178).

Und was macht der einzelne aufgeschlossene und informationsbegierige Bürger?

  • Erstens haben die zu schaffen und nicht zu surfen während der Arbeitszeit,
  • Zweitens durfte in vielen Betrieben in der Vergangenheit kein Bit und Byte ins Firmengelände hinein oder hinaus, das nicht eigenhändig von der Geschäftsleitung abgezeichnet war,

  • Drittens macht man sich in vielen besonders Großbetrieben schon verdächtig, wenn man nach 17 Uhr überhaupt auf dem Firmengelände angetroffen wird, noch dazu bei dem Versuch, sich im Internet schlau zu machen unter dem Vorwand der beruflichen Weiterbildung.

Kommt als nächstes z.B. die Gruppe der 10 Mio Schüler, für die es das sehr lobesame Programm "Schulen ans Netz" aufgesetzt wurde:

Wie sieht die Realität aus? Hierzu einige Überschriften aus der Tagespresse(BNN vom 15.3.97):

    "Im Klassenzimmer ist die Tür zur Multimediawelt noch zu-

    Das Projekt "Schulen ans Netz" scheitert in der Praxis noch an der fehlenden Ausstattung"

Der Grund: die Schulen haben kein Geld und die von Telekom gestifteten DM 1.600 für (Telekom-) Zugangsgebühren sind schnell weg.

Kommt als nächstes z. B. die Gruppe der 1.9 Mio Studenten, deren Internet- Zugang innerhalb der Unis im Schnitt sehr gut sind:

  1. haben unter Tage die Studenten wenig Zeit zum Surfen
  2. sind abends die Terminalzugänge in viele Unis absolut dicht
  3. können Studenten sich die Telefonzugangsgebühren nicht leisten

Kommentar eines Karlsruher Studenten, der etwas außerhalb wohnt:

    "Ich kann mir Internet nicht leisten"

sogar nicht einmal zu den so günstigen Zeiten zwischen 2:00 und 5:00 AM.
Kommt die Gruppe der nicht erwerbstätigen Hausfrauen:

für die gilt, was ohnehin schon für das Gros der Klein- und Mittelverdiener der Fall ist:

    "Man wird zum Sozialfall, wenn man tagsüber im Internet surft"

Wenn man feststellt, daß insgesamt nur 9% aller Netznutzer Frauen sind (zum Vergleich 30% in den USA, 20 % in Europa) und gleichzeitig daran denkt, wer eigentlich die Kaufentscheidungen in der Familie trifft, dann sieht man, in welch weiter Ferne der private Ecommerce bei uns noch ist.

Damit ist man bereits bei der Gruppe der 4.7 Mio Arbeitslosen:

für die das Internet eigentlich ein ideales Hilfsmittel wäre, sich beruflich neu oder weiter zu qualifizieren und darüber hinaus noch einen Job zu suchen, wenn sie es sich denn leisten könnten.

Kommt als nächstes die Gruppe von ca.15 Mio der über 60- jährigen, bzw. Rentner:

die Zeit und vielfach auch Geld haben und damit eigentlich die idealen Internet- Nutzer sein müßten:

Doch während es in anderen europäischen Ländern, wie z.B. Holland oder Skandinavien sehr aktive "Senioren ans Netz"- Gruppen mit tollen Kommunikationsforen gibt, gelten bei uns die rüstigen Alten als eher Off Line- Kandidaten denn als Internet-fäh

  • die Kleinkinder(-6)
  • die Yuppies(25 – 35)

und

  • das Top- Management:

Während die lieben Kleinen noch einer besseren Zukunft entgegenschlummern, sind es eigentlich nur die Yuppies, die gut verdienenden Young Urban Professionals, die Zeit, Lust, Laune und Geld haben, zu jeder Tages- und Nachtzeit und mobil über‘s Internet Aktienkurse zu checken, Flugreisen zu ordern, oder sonst welche Services in Anspruch zu nehmen.

Und das Top- Management?

Die Bosse in Politik und Wirtschaft, insbesondere aus dem IT- Bereich, würden in dem offenen Management- Informationssystem, welches Internet heißt, auf sehr wissenswerte Dinge stoßen, wenn sie denn nur hineinschauten.

Wie konnte es dazu kommen? Zur Beantwortung muß man etwas in die Vorgeschichte zurückgehen.