Hasso-Plattner-InstitutSDG am HPI
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Der Schritt vom Ignorieren zur Ignoranz, vom nicht beachten, nicht wissen wollen, absichtlich übersehen, vom Nichtwisser zum Ignoranten ist nur ein kleiner. Hierzu einige Beispiele:

 

1. Beispiel: "Internet Telefon ist noch kein Monopoldienst" überschrieb die CW Nr. 18/97 vom 02.05.97 eine Presseerklärung des BMPT, weil: "zum einen erfolge die Vermittlung übers Ausland(z.T. richtig) und damit außerhalb der Zuständigkeit deutscher Gerichte(richtig!), zum anderen handele es sich aufgrund der Übertragungstechnik nicht wie in herkömmlichen Telefonnetzen um ‚Echtzeit - Telefonie‘. Nur diese falle unter das TKG. Dies könnte sich aber mit der Marktöffnung 1998 ändern". Gott sei Dank noch mal Zeit gewonnen, denn bis dahin sind,- von heute gerechnet- ja immerhin noch ganze 240 Tage Zeit.

Wer sich ein wenig mit Sprachvermittlung auskennt, weiß, daß es darin keine Echtzeit gibt. Vielmehr hängt die Qualtität der Sprachübertragung von einer Reihe von Parametern ab, wie Signallaufzeit, Dämpfung u.a.m. Man kann sich leicht vorstellen, wie das dann nach dem 1.1.98 aussieht, wenn am 17.02.98 folgende dpa- Meldung über den Ticker kommt:

"Zum zweiten Mal seit Beginn der Deregulierung am 01.01.98 steht die EUnet Deutschland GmbH in Verdacht, wegen Unterschreitens der zulässigen Mindestübertragungszeit von 150 msek. für IP- Pakete und damit wegen wiederholten Verstoß gegen die §§6 und 14 TKG in seiner Fassung vom 25.07.96 verstoßen u haben. Es drohen Bußgelder in Millionenhöhe. Gegen den Geschäftsführer laufen bereits Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf wegen des Verdachts eines vorsätzlichen Verstoßes gegen §64 TKG(illegales Betreiben einer Sendeanlage). Gegen ist ebenfalls bereits seit Juli 97 ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Verbreitung jugendgefährdender Inhalte anhängig. Herr X. soll sich der Strafverfolgung bereits durch Flucht in das nahegelegene Ausland(Holland, Anm. der Redaktion) entzogen haben. Er habe dabei in großem Umfang Beweismittel entweder vernichtet oder beiseite geschafft, denn als die polizeilichen Ermittler in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages die Geschäftsräume der Firma in der Emil-Figge-Straße in Dortmund amtlicherseits öffneten, fanden sie lediglich einen übernächtigten Penner, möglicherweise einen früheren Mitarbeiter der Firma, vor einem offensichtlich zurückgelassenen PC vor. Der Mann, der wirres Zeug sprach, wurde nach Feststellung seiner nicht vorhanden Personalien wieder auf freien Fuß gesetzt."

(Wenn man denn nur die Promillegrenze auf Null Prozent absenkt, sind am Schluß alle besoffen, die Autofahrer ebenso wie die Polizei.)

2. Beispiel: In einer Meldung vom morgigen Tage (07.05.97) heißt es:

Gegen das vom SWF gemeinsam mit dem SDR am 05.05.97 angekündigte neue Programm "Das Ding" mit einem vielfältigen Angebot neuer Informationsdienste für die Altersgruppe der 11- bis 19- Jährigen, welche auch teilweise über das Internet bezogen werden können, sind von den Beauftragten der Landesrundfunkanstalten Bedenken dahingehend vorgebracht worden, daß die Frage der Gebührenerhebung für empfangsbereite PCs, insbesondere das Problem deren vollständigen Erfassung bisher nicht ausreichend geklärt sei. So sei die Frage, wie sich die zuständigen Organe in Erfüllung ihres Gebühreneinzugsauftrags z.B. Zutritt zu den meist unzugänglichen, weil verschlossenen Zweit- und Ferienwohnungen verschaffen können, um dort befindliche oder ggfls. dorthin verbrachte und nunmehr gebührenpflichtige Personal Computer zu erfassen, noch völlig unklar. Man habe Bedenken insbesondere angesichts der abwartenden Haltung der zuständigen Landesrechnungshöfe, die jedoch bereits signalisiert haben sollen, daß man sich des Themas zur gegebenen Zeit annehmen wolle. Völlig unklar sei auch das Problem der Behandlung nicht empfangsbereiter PCs, da diese potentiell und zu jeder Zeit empfangsbereit geschaltet werden könnten. Zusätzlich zu den empfangsbereiten ebenso wie den nicht empfangsbereiten PCs gibt es noch die empfangswilligen PCs, für die man jedoch derzeit als Lösung diskutiert, sie in die Kategorie der nicht zeitgleich empfangsbereiten Geräte einzuordnen, welche nicht Gegenstand des Rundfunkstaatsvertrages seien.

3. Beispiel: Im Zusammenhang mit dem gleich folgenden Beispiel 5 versuchte ich vor kurzem herauszufinden, was jemand beachten muß, wenn er in seinem privaten Corporate Network Leitungen Dritter, z.B. von ARCOR oder o.tel.o einsetzen will. Ich stieß hierbei auf die TVerleihV vom 19.10.95, aus der ich wahlfrei folgende Regelungen zitieren möchte, die für die Zusammenschaltung solcher Corporate Networks mit Übertragungswegen der DTAG gelten. Nachdem ich meine Suche nach Abkürzungen wie LAN, WAN, CN, u.a.m. erfolglos aufgegeben hatte, stieß ich schließlich im Unterabschnitt 2 Zusammenschaltungen § 10, in welchem z.B. im Absatz (3) geschrieben steht:

" Die Verleihungsbehörde erteilt auf Antrag vorbehaltlich des Absatzes 4 das Recht, Zusammenschaltungen auch dann zu nutzen, wenn mindestens einer der in einer Fernmeldeanlage nach Absatz 2 Satz 1 erhaltenen privaten Übertragunsgwege nicht ausschließlich entsprechend den Regelungen den §3 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 3 Buchstabe b, des § 2 Abs. 4 Satz 1des Gesetzes oder der §§ 8 und 9 genutzt oder betrieben werden soll."

Wie sagte der Bundsforschungsminister am 18.04. 97 im Rahmen der 1. Lesung des IuKDG(Multimedia- Gesetz genannt) :

"Es ist nicht wahr, daß wir zurückgefallen sind. Wahrheit ist, daß kein Land so gut auf das Multimedia- Zeitalter vorbereitet ist wie die Bundesrepublik Deutschland".

Ich schlage vor, daß wir einmal Job- Rotating machen: wir Informatiker, die auch ein klein wenig von formaler Logik und korrekter Spezifaktion verstehen, dürfen sich einmal über den ganzen Wust von Gesetzen und Verordnungen hermachen, um diesen in Ordnung, zu bringen, während die Juristen und sonstige Helfer dazu vergattert werden, aus dem ganzen Schrott, den sie bisher definiert haben, ein funktionsfähiges und international wettbewerbsfähiges Netz zusammenzulöten. Mal sehen, wer eher fertig ist. Der Sieger darf dann drei Ministerien seiner Wahl frisch besetzen.

4. Beispiel: in der Computerzeitung Nr. 12/97 vom 20.03.97 las man unter dem Titel "Telekom- Konkurrenz droht mit dem Gang nach Brüssel- Interkonnektion ist der Zankapfel im entstehenden Wettbewerb" folgende Beschwerden von ARCOR, o.tel.o und anderen:

        "Die Telekom tut alles, um den Wettbewerb zu verhindern,"

        "Die Gespräche gehen keinen Schritt voran,"

        "Es ist weniger als 5 vor 12 in dieser Sache. Wir brauchen jetzt einen starken Regulator."

Genau dasselbe Spiel läuft im deutschen Internet ab, wo der DFN- Verein, untergehakt mit der Telekom AG sich penetrant weigert, sich am Adressaustausch (dem sog. Peering) mit den übrigen Internet Service Providern in Deutschland zu beteiligen, was in sämtlichen zivilisierten Internet- Ländern selbstverständlich ist, und was der Verein im übrigen auch in seinen AGBs zusichert. Statt dessen erwartet er von seinen Mitbewerbern, daß sich diese beim ihm auf eigene Kosten einkaufen. Das ist vergleichbar mit einer Situation, bei der die DTAG ab dem 1.1.98 zu ihren Mitbewerbern sagen würde:

"Eure Kunden können gern mit unseren Kunden telefonieren und umgekehrt, aber für jede Gesprächseinheit, die entsteht, müßt Ihr uns zusätzlich 30 Pfennig zahlen"- bei nur 12 Pfennig/Einheit innerhalb des Telekom- Netzes.

Ein klassische Monopolsituation, und das im deutschen Teil des freiesten Netzes der Welt, wo man sich doch gerade bei uns die Deregulierung angeblich auf die Fahnen geschrieben hat.

Die 5 größten deutschen Internet Service Provider versuchen gerade über eine Pressemitteilung, die auch für diese Tagung nochmals neu aufgelegt wurde, auf das Problem aufmerksam zu machen.

Offizielle Stellungnahme des DFN- Vereins, der im übrigen sehr wohl mit dem restlichen europäischen und weltweiten kommerziellen Internet über dicke und teure Trunks von bis zu 90 Mbit/s konnektiert ist, zu den Beschwerden: "Die Kosten für einen solchen kommerziellen Dienst müßten wir auf unsere Anwender umlegen, was aber nicht einzusehen ist". Dieser Dienst müßte dann gesondert abgerechnet werden. O-Ton des DFN- Vereins weiter: "Man sollte das Medium Internet aber nicht mit dem Problem der Trennung von Datentypen belasten". Kommentar eines der kommerziellen Service Providers: "Totaler Schwachsinn!"

Als Gutachter der Enquete- Kommission bemühe ich mich, die Problematik der Behinderung der freien Kommunikation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft durch den DFN- Verein auf die politische Ebene zu hieven. Um beim russischen Eingangsvergleich zu bleiben versuche ich, ein Loch durch die ganzen Lehmschichten zu bohren, um die Gülle, die unten im Netz herumschwappt, auf die Schreibtische der Abgeordneten in Bonn zu pumpen.

Dabei geht es beileibe nicht um den Wissenschaftsbereich, sondern um den künftigen kommerziellen Markt, aus dem man die Mitbewerber solange wie nur irgend möglich raushalten möchte. "Share Holder Value" ist die Devise, Theo Waigel läßt grüßen.

5. Beispiel: Ende 95 wurde dem DFN- Verein im Vorgriff auf den deregulierten Markt als eine der ersten Einrichtungen vom BMPT das Recht verliehen, "bundesweit eine Fernmeldeanlage zu errichten und zu betreiben", mit anderen Worten ein Corporate Network für sein Klientel aus Wissenschaft(und Bildung, und Forschung und Entwicklung und Qualifizierung) aufzubauen. Als wesentlicher Vorteil wurde dabei genannt, daß man nunmehr in der Lage sei, leistungsfähige Übertragungswege von alternativen Netzbetreibern auf dem freien Markt kostengünstig einzukaufen. Wie sieht die Realität aus?

Die Versuche erwartungsvoller alternativer Netzbetreiber, z.B. der damaligen VebaCom in NRW oder der CNS in Baden Württemberg, sind entweder gescheitert, oder mußten mit teurem Eintrittsgeld bezahlt werden. Offizielle Begründung: nicht das regionale Angebot, sondern der Zeitpunkt sei das Problem gewesen. So wurde die Rückgewinnung von NRW durch die DFN/Telekom- Allianz (DFN Mitteilungen Nr. 42, 11/96) fast so begeistert gefeiert wie die des Rheinlandes vor 60 Jahren. In Baden- Württemberg, im übrigen gemeinsam mit NRW die Brutstätte des deutschen Internet(EUnet in Dortmund, Xlink in Karlsruhe), ist man inzwischen einen anderen Weg gegangen: entnerft durch die Schwierigkeiten im eigenen Lande hat man inzwischen die Schweizer PTT mit ins Boot genommen, über die wiederum niemand geringeres als AT&T im Südwesten Deutschlands den Fuß in der Tür hat. Wessen Share Holder Value dabei langfristig mehr steigt, wird sich zeigen.

6.Beispiel: Alle reden von neuen Arbeitsplätzen!

Neulich sprach ich mit Ulrich Altvater, dem Inhaber der gleichnamigen Firma im badisch/schwäbischen Bad Rappenau, der eine sehr clevere 128 kbps Kleinzellen- Funktechnologie(Produktbezeichnung WIMAN) mit Frequenz- Hopping im freien 2.4 GHz- Band entwickelt hat und bereits weltweit zahlreiche Anfragen hat, u.a. auch von sehr vielen PoPs in Deutschland. Diese sehen endlich eine Chance, die teure Last Mile auf Deutschlands Wegen in die Informationsgesellschaft auf diese Weise kostengünstig zu überbrücken. Für den Aufbau solcher Kleinzellen bedarf es jedoch einer Lizenz, für deren Vergabe der BMPT- der Bundesminister für Post und Telekommunikation zuständig ist. Dieser hat sich im Verlaufe der letzten 1 ½ Jahre, seitdem der Antrag auf seinem Tisch liegt, überlegt, daß hieraus ja vielleicht außerordentliche Einnahmen erzielt werden könnten, die in Bonn so dringend benötigt werden und hat gerade kürzlich für die Fa. Altvater ein Preisschild von 40 Mio. aufgestellt. Zur Größenordnung: das Land Baden- Württemberg hatte die Gesamtentwicklung seinerzeit mit 8 Mio. unterstützt. Altvater hat einen Tobsuchtsanfall bekommen und seine Auswanderung nach USA beschlossen, wo ihm die FCC die entsprechende Genehmigung für "3 $ 50"pro Kunden innerhalb von 1 ½ Tagen erteilt hatte.

Kleines Beispiel 7:
eine in Stuttgart ansässige Regionalbank, noch dazu mehrheitlich in Landesbesitz, hatte eine Ausschreibung für ISDN- Netzkomponenten gemacht. Eine Karlsruher Netzfirma mit einschlägigen und wettbewerbsfähigen ISDN- Produkten erhielt gar nicht erst die Unterlagen. Der Grund: amerikanische Consultants hatten empfohlen, nur Firmen mit weltweiter Präsenz, einem jährlichen Umsatz von über 100 Mio US $ und mehr als 500 Mitarbeitern zu berücksichtigen.

Größeres Beispiel 8: ein Großkonzern im Bereich Chemie trennt sich, ebenfalls US Consultants folgend, im Zusammenhang mit seiner Globalisierungsstrategie von seinem deutschen DV- Partner, mit dem er bisher durchaus zufrieden gewesen war und der im übrigen auch weltweit vertreten ist, und ersetzt dessen Equipment Zug um Zug durch Produkte eines US- Herstellers, den das Consulting- Unternehmen gern empfiehlt, weil es damit so gute Erfahrungen gemacht hat.

Nachdem es selbst den US- amerikanischen Consultants mittlerweile auffällt, daß die Cash Cow Deutschland müde und schlapp im Stall steht, hat Arthur D.Little jüngst eine strategische Hilfsaktion gelauncht, sozusagen ein "DRP" unter dem Bundestag- kompatiblen Titel "Modell Deutschland 21". Verlautbarungen zufolge gab es jedoch lediglich Zusagen aus der CDU/CSU- und der FDP- Fraktion, aber das wäre ja immerhin schon was.