Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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Einstimmung

Meinen letztjährigen Vortrag auf dem DIK´96 in Karlsruhe mit dem Titel "Endet das Internet im Chaos?" schloß ich mit folgendem Zitat aus der SZ vom 04.05.96:

"Ungerechtigkeiten sind der Stoff, aus dem Systemveränderungen gemacht sind. Der russische Innenminister sagte kürzlich, daß Kolchosen 20 Jahre lang Gülle in alle erreichbaren Höhlen und Löcher geschüttet haben – und jetzt, über Nacht, die Gülle in Form von riesigen Seen aufgetaucht ist. Viele Menschen müssen auf Dauer evakuiert werden.

Guellekuh

Er sagte: "You can´t keep shit down forever." Genauso verhält sich das mit unserem Denken, jeder Verdrängungsprozeß hat ein schmerzvolles Ende.…"

Am 18.3. 1996 gab Zukunftsminister Dr. Jürgen Rüttgers mit dem 34/155M- Breitband Wissenschaftsnetz B-WIN des auf der CeBIT in Hannover mit Stolz "das weltweit größte und damit innovativste ATM- Netz", welches er mit 80 Mio DM für die Dauer von 3 Jahren zu fördern bereit war, zur Nutzung durch den DFN- Verein frei. Gut 2 Monate später äußerten Netzspezialisten aus denmWissenschaftsbereich auf der 10. DFN Fachtagung "Netzinfrastrukturen und Anwendungen" bei der DLR in Göttingen die Einschätzung, daß Deutschland im internationalen Vergleich im Schnitt um 3 Jahre im Rückstand sei. Die Skandinavier kommentieren die Situation von oben herab:

"Deutschland fällt jede Woche um einen Monat zurück."

Die Wirtschaftswoche vertrat in ihrer Ausgabe Nr. 14/97 vom 27.03.97 unter der Überschrift "Romantische Verklärung" die Auffassung, Deutschland sei für das Informationszeitalter schlecht gerüstet und berief sich dabei auf zwei bislang unveröffentlichte Gutachten von Prof. Bullinger, FhG/IAO Stuttgart sowie der Roland Berger &Partner Unternehmensberatung, welche diese erst kürzlich für die Enquete- Kommission "Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft"erstellt haben.

In der den Journalisten eigenen Sprache formulierten die Redakteure respektlos:

"Jürgen Rüttgers denkt gern positiv. Auf die heraufziehende Informationsgesellschaft, befindet der Zukunftsminister, sei Deutschland ‚optimal vorbereitet‘. Da muß der Kanzler- Zögling wohl die falschen Datenbanken angezapft haben." u.s.w

Kaiser

Auch ich hatte die ehren- und verantwortungsvolle Aufgabe, für die Enquete- Kommission als Gutachter tätig zu werden unter der selbst gewählten Thematik"Internet in Deutschland- kritische Analyse und Empfehlungen" , einer Ausarbeitung samt Präsentation, aus der ich auch heute schöpfe.Nun ist es fast unmöglich, im vieldimensionalen CyberSpace zu einem internationalen einvernehmlichen Ranking zu gelangen, denn- was soll man als Bewertungskriterien verwenden: Anzahl PCs pro Haushalt, Länge der verlegten Lichtwellenleiter, IP- Hostcount, etc. etc.?Der Economist vom 11.1.97 veranschaulichte das Problem anhand folgender Frage: was ist sicherer, Flugzeug oder Auto?Antwort: bezogen auf Passagierkilometer ist das Flugzeug 13 mal sicherer, auf Reisestunden sind Flugzeug und Auto gleich, auf Anzahl Reisen ist das Auto 12 mal sicherer.Kein Wunder, daß die Öffentlichkeit, die Wirtschaft ebenso wie der einzelne Bürger hin und her gerissen ist zwischen Faszination und Euphorie auf der einer Seite, Skepsis und Frust auf der anderen, und daß die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft höchst verunsichert darüber sind, wo sie eigentlich stehen und was kurz-, mittel- und langfristig am besten zu tun sei.Da hat man es beim Sport z. B. einfacher: in der Formel 1 kann man mit 1/100 Sek. Genauigkeit ablesen, wer wo liegt im Feld, wer wann überrundet wurde, mit Motorschaden ausschied, oder aus der Kurve flog oder nur mal an den Boxen steht. Nicht so im Internet, wo zwar ähnliche Geschwindigkeiten wie in der Formel 1 gefahren werden, die Szene aber ungleich komplizierter ist.Trotz dieser Schwierigkeit habe ich eine klare Meinung, die man auf folgenden kurzen Nenner bringen kann:"Internet spielt eine wichtige Rolle in Deutschland, aber Deutschland spielt überhaupt keine Rolle in weltweiten Internet, außer als Markt für ausländische Produkte und Dienstleistungen".Für die Zuhörer, die noch während des Vortrags nach Stuttgart zur Konkurrenzveranstaltung abreisen sollten, möchte ich auch gleich die Antwort auf die Frage

"Hat Deutschland die Internet- Entwicklung verschlafen?"

geben und die Begründung samt Analyse nachliefern:

In Deutschland wurde die Internet- Entwicklung nicht verschlafen, sondern sehenden Auges ignoriert, unterschätzt, für unmöglich gehalten, abgetan, bekämpft, behindert, verteufelt, denaturiert, und was der Läßlichkeiten sonst noch sind und wird dieses in weiten Bereichen noch immer getan.

Dahinter liegt jedoch noch eine ganz andere Dimension, auf die ich am Schluß komme.
 
Um den Motorsport gleich noch mal herzunehmen: Formel 1 ist gar nicht der beste Vergleich, denn da ist Deutschland ja Weltspitze. Viel besser trifft für das, was im Internet abgeht und dem, was in Deutschland im Gegensatz dazu passiert, der Vergleich zwischen Drag Racing und den eher in rustikaler Umgebung ausgetragenen Tractor Pulling- Spektakeln. Für die Nicht- Insider: beim Dragster Rennen warten die Fahrer z. B. auf der Start- und Ziel- Geraden in Hockenheim in bis zu 4000 PS starken Geschossen, bis der Cristmas Tree von rot auf grün springt und beschleunigen dann in unter 1 Sekunde von 0 auf 100. Sieger ist, wer die Viertelmeile als erster durchrast hat.

Dragster

Beim Tractor Pulling, - übrigens auch aus den USA-, hat man ebenfalls 4000 PS starke Gefährte, an denen jedoch ein Schlitten von einigen Tonnen Gewicht hängt, den es durch eine Sand- oder Matschbahn zu ziehen gilt. Sieger ist, wer den Bremsklotz am weitesten durch den Schlamm schleppt, ehe er darin stecken bleibt.

Tractor

Ähnlich ist es bei uns in Deutschland, und nicht nur im Bereich Internet: die einen versuchen, möglichst starke Technik zu entwickeln und einzusetzen, und viele andere tun nichts anderes, als möglichst schweren Ballast dranzuhängen.

Was Traktor Pulling und unsere Politik in Deutschland gemeinsam haben? - Antwort: gelenkt wird, indem man auf die Bremse tritt.

Wieso ich so negativ eingestellt bin? Weil ich einfach Fakten nebeneinander halte, die alle immer wieder zeigen, wie wenig die Dinge in diesem unserem Lande zusammenpassen,- und dies schon seit Jahren und immerfort, und insbesondere wie weit wir von dem entfernt sind, was in führenden Internet- Regionen der Welt allen voran USA, Skandinavien und dem Commonwealth geschieht.