Role Models wie HPI-Studentin Charlotte Balcke setzen sich schon jetzt jeden Tag dafür ein, junge Frauen und Mädchen für die Informatik zu begeistern und ihnen den Einstieg in die IT-Karriere zu erleichtern. Leider ist dieser für Frauen noch immer mit vielen Hürden verbunden. Wir haben unsere Wissenschaftlerinnen am HPI gefragt, was sich ändern muss, damit Women+ in Tech in Zukunft ohne Barrieren durchstarten können.
Unsere angehende Masterstudentin Charlotte Balcke hat im vergangenen Jahr die Initiative "empowerHER" ins Leben gerufen, die junge Frauen ermutigen soll, sich für MINT-Fächer zu interessieren und ihre eigenen Talente zu entdecken. "Was ich an meinem Studium am HPI am meisten schätze, ist das bereichernde Umfeld und die vielen verschiedenen Menschen mit ganz unterschiedlichen Interessen, die alle durch die gemeinsame Leidenschaft für die Informatik verbunden sind", sagt Charlotte. Nach ihrem Abschluss will sie ihre Ausbildung nutzen, um innovative Lösungen für drängende globale Herausforderungen zu entwickeln und einen Beitrag zu einer besseren Welt und einer solidarischeren Gesellschaft zu leisten.
"Ich sehe eine strahlende Zukunft für Frauen in der IT-Branche"
Ferdous Nasri, Doktorandin am Lehrstuhl Data Analytics and Computational Statistics
HPI: Wozu forschst du am HPI? Warum liegt dir dein Forschungsthema persönlich am Herzen?
Ferdous Nasri: Ich arbeite an der Entwicklung von maschinellem Lernen und algorithmischen Ansätzen zur Erkennung von Krankheitsausbrüchen. Um Menschen zu helfen und die Ausbreitung von Krankheiten einzudämmen, ist es entscheidend, Krankheitserreger frühzeitig zu erkennen und ihre Ausbreitung effektiv vorherzusagen. Mit COVID19 erhielt das Thema weltweite Aufmerksamkeit, was das Feld stark vorantrieb. Ich habe mich für einen Ph.D. am HPI entschieden, um an der Spitze der wissenschaftlichen Entwicklung zu stehen und Studierene durch Projekte und Lehre inspirieren zu können.
HPI: Worin siehst du die größten Hürden für Mädchen und Frauen im IT-Bereich?
Ferdous Nasri: Eine große Hürde ist es, in einem Bereich anzufangen, in dem man nicht viele Vorbilder sieht, die so aussehen wie man selbst, und in einem Umfeld, das leider nicht immer unterstützend ist. IT ist aber so interessant und faszinierend. Die Möglichkeit, mit Code auf kreative und lösungsorientierte Art Dinge zu gestalten, ist äußerst erfüllend. Nachdem ich nun seit über einem Jahrzehnt in dieser Branche tätig bin, kann ich mit Zuversicht sagen, dass sich das Feld verändert und ich eine strahlende Zukunft für Frauen in der Tech-Branche sehe.
HPI: Was wünschst du dir für die Zukunft in Bezug auf Frauen in der IT? Welche Förderungen und/oder Angebote braucht es aus deiner Sicht, um künftige IT-Studentinnen optimal bei ihrem Einstieg in die Tech-Branche zu unterstützen?
Ferdous Nasri: Eine safe community, in der Frauen gemeinsam lernen können, mit Vorbildern und Unterstützung durch Führungskräfte. Ich hatte das große Glück, das Programmieren in einer Community zu lernen, die speziell für Frauen in der Technologiebranche geschaffen wurde, den Rails Girls. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie großartig und hilfreich eine solche unterstützende Community sein kann. Später war ich Mitgründerin einer erfolgreichen Organisation namens code curious, in der wir kostenlose Programmierworkshops für mehr als 1400 absolute FLINTA-Anfänger anbieten. Die Nachfrage danach hat gezeigt, dass es viele Menschen gibt, die lernen wollen, denen es aber an Ressourcen und einladenden Communities mit Vorbildern fehlt.
"Das Wichtigste ist, dass man AnsprechpartnerInnen hat"
Michelle Döring, Doktorandin am Lehrstuhl Algorithm Engineering
HPI: Wozu forschst du am HPI? Warum liegt dir dein Forschungsthema persönlich am Herzen?
Michelle Döring: Ich forsche in zwei Themengebieten: Temporale Graphen und Social Choice Theory. Structural Properties of Temporal Graphs – In meiner Doktorarbeit werde ich mich mit den strukturellen Eigenschaften von temporalen Graphen auseinandersetzen. Es fasziniert mich sehr, in kompliziert und zufällig aussehenden Strukturen Muster und Regeln zu erkennen und diese dann nachvollziehbar zu berechnen. Graphen bestehen simpel gesehen aus Entitäten, die miteinander verbunden sind: Straßensysteme enthalten Stationen verbunden durch Züge und Soziale Netzwerke enthalten Menschen verbunden durch Freundschaften. Viele dieser alltäglichen Netzwerke verändern sich durchgängig und vorhersehbar: Die zeitliche Veränderung ist also Teil des Netzwerkes. In Straßensystemen muss man an der Haltestelle warten, bis ein Zug kommt und kann nicht einfach jederzeit zwischen Stationen wandern. Die theoretische Analyse dieser sogenannten temporalen (latein: temporalis - Zeit) Graphen steckt jedoch noch in ihren Anfängen. Viele Einsichten, die wir für "klassische", sogenannte statische, Graphen über die letzten Jahrzehnte gesammelt haben, warten nur darauf im Laufe der Zeit hinterfragt zu werden.
Social Choice Theory – Mein Masterarbeitsthema drehte sich um das Bestimmen von Wahl- beziehungsweise Turniergewinnenden. Auch wenn die Frage nach solchen Gewinnenden und den zugrunde liegenden Wahlsystemen für die die allgemeine Bevölkerung doch recht festgesetzt und "über Jahre bewehrt" scheint, gibt es in diesem Bereich eine Menge Forschung um die Fairness, Rechtmäßigkeit und Robustheit von Wahlsystemen zu untersuchen und zu verbessern. Die Forschung hierbei ist in einer interessanten Schnittmenge zwischen mathematischer Theorie und sozialer "Gerechtigkeit", was den Forschungsalltag sehr spannend und abwechslungsreich gestaltet.
HPI: Worin siehst du die größten Hürden für Mädchen und Frauen im IT-Bereich?
Michelle Doering: Für mich ist es das konstante Bewusstsein, dass es Hürden geben könnte. Auch wenn man sich einfach nur seiner Forschung, seiner Leidenschaft widmen möchte, schwebt da immer eine mögliche Wolke über einem, die man nicht ignorieren kann beziehungsweise sollte. Das äußert sich darin, dass man vielleicht die einzige Frau im Raum bei einer Konferenz ist; dass jemand eine seltsame Bemerkung macht, die so klingt, als würde die eigene Legitimität angezweifelt; dass man sich fragt ob das Lob oder die Kritik, die man gerade erhalten hat, unter der Voraussetzung getätigt wurde, dass man eine Frau ist.
HPI: Was wünschst du dir für die Zukunft in Bezug auf Frauen in der IT? Welche Förderungen und/oder Angebote braucht es aus deiner Sicht, um künftige IT-Studentinnen optimal bei ihrem Einstieg in die Tech-Branche zu unterstützen?
Michelle Döring: Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man AnsprechpartnerInnen hat, welche offen und ehrlich Kontext zu alltäglichen Fragen geben können – zu allem, was einem im Studium begegnet. Das könnte zum Beispiel in Form eines Mentorings umgesetzt werden, indem (vorzugsweise weibliche) Studierende, PhDs, Postdocs für eine kleine Gruppe von Studentinnen zur Beratung, Anleitung und insbesondere Validierung zur Seite stehen. Dies wäre eine gute Möglichkeit, in einem vertrauten Rahmen Antworten und Feedback zu den vielfältigen Gedanken zu bekommen, die einem im Kopf herumschwirren.
Weitere Interviews gibt es auf unserer englischen Webseite.
Weitere Artikel
Kategorien
- [ Next Gen. ]
Letzte Änderung: 04.09.2024