Das von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn vorangetriebene Digitale-Versorgung-Gesetz sieht eine erweiterte Nutzung von Sozialdaten der Krankenkassen zu Forschungszwecken vor. Dazu soll eine Vertrauensstelle sowie ein nationales Forschungszentrum für die Pseudonymisierung und Aufbereitung der Versichertendaten wie Alter, Geschlecht und Behandlung eingerichtet werden. Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag verabschiedet werden. Professor Erwin Böttinger, Leiter des Digital Health Centers am Hasso-Plattner-Institut begrüßt das Vorhaben und den Aufbau eines nationalen Forschungsdatenzentrums, das anonymisierte Behandlungs- und Abrechnungsdaten gesetzlich Versicherter der Forschung und Versorgungsplanung schneller zugänglich machen soll.
Mit dem neuen Verfahren soll sichergestellt werden, dass Behörden, Forschungseinrichtungen oder Universitätskliniken Behandlungsdaten schneller und in besserer Qualität für die Forschung verwenden können. „Von dem neuen Gesetz werden nicht nur Wissenschaftler und Versorgungsforscher profitieren, sondern vor allem die Behandlung und Versorgung von Patienten“, sagt Erwin Böttinger. „Je mehr qualitativ hochwertige, sektorenübergreifende Langzeitdaten uns in der Forschung zur Verfügung stehen, desto besser können wir maßgeschneiderte Lösungen anbieten. Vorausgesetzt mit diesen Daten wird sensibel umgegangen und sie werden sinnvoll genutzt. Dann können sie die Qualität und die Effizienz der Gesundheitsversorgung verbessern und sogar Leben retten.“
Kritisiert wird der Gesetzentwurf unter anderem mit Hinblick auf das bisher nicht vorgesehene Einverständnis der Versicherten. „Die Verarbeitung von Sozialdaten der Krankenkassen ist nichts Neues und findet bereits heute auf vielen Ebenen statt. Bei Wahrung bestimmter regulatorischer Voraussetzungen ist in der Regel eine explizite Einwilligung des Patienten nicht erforderlich. Dass große Mengen an Behandlungsdaten jetzt unkompliziert, schnell und in vernünftiger Qualität über eine nationale Vertrauensstelle und ein nationales Forschungsdatenzentrum der Forschung zugutekommen sollen, wäre endlich ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Böttinger. „In anderen Ländern, wie zum Beispiel in Finnland oder Japan, sind ähnliche Formen nationaler Gesundheitsdatenbanken bereits Realität. Außerdem hat eine gerade veröffentliche Forsa-Umfrage ergeben, dass mehr als drei Viertel der Deutschen bereit wären, ihre persönlichen Gesundheitsdaten anonym und unentgeltlich für die medizinische Forschung zur Verfügung zu stellen.“
Auch in Hinblick auf Datenschutz und Datensicherheit gibt es Kritik, die jedoch am Samstag vom Bundesgesundheitsministerium zurückgewiesen wurde. „EU Mitgliedsländer wie Finnland oder Estland unterliegen - genau wie Deutschland - der EU Datenschutzgrundverordnung und haben nationale Forschungsdatenbanken mit großer Unterstützung der Bevölkerung eingerichtet. Ein großes Land wie Japan mit über 120 Millionen Versicherten ebenso. Wenn wir mit der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens voran kommen wollen, müssen wir aufhören mit datenschutzrechtlichen Fehlinterpretationen hierzulande. Es wäre bedauerlich, wenn wieder einige wenige mit dem deutschen ‚Totschlagargument‘ Datenschutz sinnvollen Fortschritt für die Gesellschaft blockieren könnten“, sagt Erwin Böttinger. „Es gibt gesetzliche Regelungen, einschließlich der EU Datenschutzgrundverordnung, die zum Schutze dieser hoch sensiblen Daten dienen, und denen ich als Bürger mein Vertrauen schenke. Es gibt deutsche Plattformtechnologien für Gesundheitsdaten mit maximaler Datensicherheit. Wenn wir in Deutschland nicht den Anschluss verlieren wollen, müssen wir endlich die EU Datenschutzgrundverordnung vernünftig interpretieren und verfügbare deutsche Technologien sinnvoll einsetzen.“