HPImgzn: Finanziert habt ihr das Ganze mit der Hilfe von Investoren?
→ Martin: Das war Seed-Investment. Damit haben wir sozusagen das erste Jahr finanziert. Es hängt ein bisschen davon ab, was du machst, ob du von jemandem Geld aufnimmst. Das hat Vor- und Nachteile.
→ Martin: Das Problem ist, wenn du von jemandem Geld bekommst, dann will er was dafür haben. Wenn du öfter Geld aufnimmst, dann werden deine Anteile immer weniger und die von anderen Leuten immer mehr. Viele Leute machen den Fehler, das zu unterschätzen.
HPImgzn: Ihr hättet also lieber nur mit eurem eigenen Geld gearbeitet?
→ Thomas: Das wär wesentlich besser gewesen. Aber nach dem Studium war das irgendwie keine Option… Heute gibt es auch ein, zwei Möglichkeiten, die es sicherlich damals auch schon gegeben hat, die wie aber einfach nicht kannten. Zum Beispiel die Exist-Förderung, die es einem ermöglichen soll, so etwas ein Jahr lang zu betreiben, ohne dass man gezwungen ist, Geld aufzunehmen. Du kannst auch versuchen ein Business Model zu finden, bei dem du nach einem Monat oder zwei Monaten schon ein bisschen Geld reinbekommst.
Sind Beziehungen wichtig beim Gründen von Unternehmen?
→ Thomas: Das hilft einem ganz gewaltig! Als wir mit madvertise angefangen haben, haben wir einen Prototypen gelauncht. Die Idee war, dass es auf der einen Seite einen Advertiser gibt, der uns Geld für eine Kampagne gibt und auf der anderen Seite haben wir einen Publisher, der ausliefert. Unterhosenstrategie: Wir haben das fertig und jetzt der große Gewinn. Dann sind wir zum Advertiser gegangen und haben gesagt: „Hier, wir haben was Tolles, gib uns Geld!“ und die haben uns gefragt: „Was habt ihr denn für Publisher?“ Also sind wir zum Publisher gegangen und haben gesagt: „Hier, Publisher, wir können euch Geld geben für Kampagnen!“. Der Publisher hat gefragt: „Was habt ihr denn für Advertiser?“ Moment, von denen kommen wir doch gerade… Das heißt, unseren ersten Case, haben wir tatsächlich über Beziehungen bekommen – über drei Ecken. Und dann konnten wir zumindest mal einen Namen nennen. Irgendwann hat dann die Lufthansa gesagt: „Wir machen mal einen Test“. Dann konnten wir plötzlich sagen, unser letzter Kunde war die Lufthansa. Damit hatten wir dann natürlich etwas mehr Trust.
Wenn madvertise die allererste Idee gewesen wäre, hätte es dann auch so gut funktioniert?
→ Martin: Wahrscheinlich nicht. Viele Sachen, die wir gelernt haben, lagen im Business-Bereich. Man sollte sich zum Beispiel wirklich immer, immer alles mit Verträgen absichern lassen. Viel haben wir aus unserer Consultingzeit gelernt, weil wir da viele verschiedene Firmen zu sehen bekommen haben. Wie bauen die ihre Teams auf, wie gestalten die den Entwicklungsprozess, wie gestalten die andere Prozesse?
→ Thomas: Es hätte wahrscheinlich trotzdem funktioniert, aber nicht so gut. Einige Fallstricke waren uns schon bewusst, was dummerweise nicht heißt, dass wir schon genug wussten, um das alles richtig gut zu machen… Bei madvertise haben wir auch nochmal richtig viel gelernt. Vor allen Dingen, was Themen angeht wie: Wie gehst du mit Investoren um, was sind eigentlich die richtigen Investoren? Wie gestaltet man solche Verträge und wie sollte man sie nicht gestalten? Vor allem wie man sie nicht gestalten soll, das haben wir jetzt gelernt. (lacht) Oder auch: Was passiert mit dem Team, wenn es über eine bestimmte Größe hinauswächst? Was hat das für einen Einfluss auf deine interne und externe Kommunikation? Früher war es ein Team von zehn Leuten und wenn du da irgendwas gebaut hast, dann hast du gesagt: „Hey Leute, ich hab was Neues gebaut!“ Jetzt sind wir über 100 Leute. Und wenn du etwas Neues gebaut hast, geht das manchmal irgendwie verloren. Oder Teile davon gehen verloren, was noch viel schlimmer ist. Oder Teile kommen wie bei der Stillen Post ganz anders beim Sales Manager an, als es eigentlich gedacht war.
Mit wie vielen Leuten habt ihr angefangen?
→ Martin: Die ersten zwei Monate waren wir zu viert. Zwei Techniker, ein Produktmensch und ein BWLer.
Das heißt, ihr habt alles programmiert, und die anderen…
→ Martin: Die haben eigentlich überhaupt nichts gemacht. (lacht). Wir haben die initialen Sachen gebaut. Pan hat sich die Sachen ausgedacht, an denen wir gearbeitet haben, mit uns diskutiert und gleichzeitig auch alles andere gemacht, Sales und Ad-Operation. Carsten hat die finanziellen Sachen gemacht.
War die Teamaufteilung gut?
→ Martin: Das lief schon ganz gut. Also besser als bei artmesh. Da hatten wir eine Person, die ein bisschen Business/BWL-Hintergrund hatte und vier Leute, die technikaffin waren. Aber niemanden der irgendwie Ahnung von Kunst hatte. Wie ist die Rollenverteilung heute?
→ Thomas: Carsten ist CEO der Firma. Pan ist CPO und zuständig fürs Produkt. Wir beide haben uns technisch aufgeteilt. Martin hat sich der Tiefentechnik gewidmet. Er ist CTO, das heißt, er trifft die ganzen Architektur-Entscheidungen. Während ich als CIO in die softere IT gegangen bin. Ich bin zuständig für alle Integrationsthemen, das heißt alles was Kooperation mit anderen Unternehmen ist, von Technik zu Technik, und außerdem bin ich für die Support-Abteilung zuständig, was de facto ja eine Kommunikationssache ist.
Wie sieht euer Arbeitsalltag aus?
→ Thomas: Also wir kommen zwischen 6:30 und 7:00 ins Büro, arbeiten bis mittags, dann gehen wir irgendwo was essen. Und dann abends bis 21:00, 22:00. Wenn nicht so viel los ist…
→ Martin: Dann noch zwei Stunden Sport, Alkohol haben wir uns auch abgewöhnt. (beide lachen)
Jetzt wird es unrealistisch…
→ Thomas: Ok, dann im Ernst. Eigentlich haben wir keine Stechuhr und wir gucken auch nicht auf die Uhr. Wir versuchen unsere Arbeit so effizient wie möglich zu gestalten. Intern benutzen wir ein Time-Tracking-Tool. Dann kann man sehen: 40 % des Tages mit E-Mails verbracht, 20 % sind Meetings, und noch das Terminal aufgehabt für 2 % der Zeit. Dann kann man entscheiden, ob man damit zufrieden ist oder nicht. Verhältnismäßig viel Zeit nutze ich für E-Mail-Kommunikation und Calls. Und dann abends noch ein bisschen kickern… Martin, wie sieht dein Tag aus?
→ Martin: Also ich komme meistens zwischen 9 und 10. Um 10 haben wir Stand-Up-Meeting. In der Regel sind alle so um 9:59 da. Und dann kommt es ein bisschen drauf an, wie die Tagesform ist. Wenn es ein guter Tag ist, dann kann es auch ein bisschen länger werden. Wenn es ein schlechter Tag ist, dann kann das auch schon einmal um 5 oder um 6 schon vorbei sein.
→ Thomas: Das ist der große Kampf, den wahrscheinlich jeder von euch mal austragen muss, in erster Linie mit Business/BWL-Menschen: Dass das, was wir machen, kreative Arbeit ist und kreative Arbeit ist nicht Fließbandarbeit. Das heißt, mal hat man einen Lauf, dann kann man wirklich elf Stunden konzentriert durcharbeiten und es kommt was Vernünftiges dabei raus. Dann hast du aber auch andere Tage, an denen du nach sechs Stunden wirklich alle bist und da geht halt nichts mehr. Da sollte man nicht mehr krampfhaft versuchen zu arbeiten. Das bringt einem nichts.
→ Martin: Das ist auch eine Sache, wo man viel Aufklärung betreiben muss. Was wir eigentlich machen. Was bedeutet denn „Ich baue eine Webseite“ oder „Ich schreibe ein Programm“? Das ist für viele überhaupt nicht greifbar. Dementsprechend werden die das mit dem vergleichen, was sie kennen: Fabrikarbeit oder Hausbau. Das ist mehr abarbeiten. Du guckst es dir an und setzt es dann genau 1 : 1 um und kannst dann noch auf die Minute schätzen, wann es fertig sein wird. So stellen sich das viele vor. Je mehr Leute man im Team hat, die diesen technischen Hintergrund nicht haben, desto schwieriger wird es, dafür eine Wahrnehmung herzustellen. Dass es vielleicht doch ein bisschen mehr ist als Abarbeiten. Da geben wir uns viel Mühe, bzw. müssen uns auch viel Mühe geben, damit die anderen verstehen, was da passiert.