#dtimpact22: Design Thinking - Die Zukunft
von Uli Weinberg und Claudia Nicolai
Design Thinking und die zugrunde liegende Ausrichtung auf Kollaboration, Cross-Disziplinarität, kritisches Denken und kreative Problemlösung wird in immer mehr Bereichen als notwendig und zielführend erkannt. Was wird aus der D-School wenn in Kindergärten, Schulen, Universitäten und Weiterbildungseinrichtungen diese Future Skills zur Dominante werden? Braucht es in 15 Jahren spezielle Einrichtungen wie die HPI School of Design Thinking vielleicht gar nicht mehr? Wahrscheinlich doch, aber auch die D-School verändert sich und bewegt sich in neue Themenfelder.
Das hoch-agile Setting und die permanente Lernbereitschaft, die nicht nur den Studierenden vermittelt werden, sondern auch das gesamte D-School-Team prägen, haben zu Beginn der COVID19-Pandemie im März 2020 die D-School extrem schnell wandlungsfähig gemacht.
Innerhalb weniger Tage war gemeinsam ein "Remote-Collaboration-Protocol" erstellt, das in den Folgemonaten permanent überarbeitet und ergänzt wurde. Aus verschiedenen Software-Paketen wurde ein "Virtual-Collaboration-Toolset" zusammengestellt und die bis dato ortsgebundene Lern- und Arbeitsumgebung war in kurzer Zeit in den digitalen Raum virtuell übertragen. Es folgte ein komplettes Re-Design der Programmstruktur und zum Start des Sommersemesters im April 2020 war alles parat, um mit über 100 Studierenden aus 20 Ländern remote loszulegen.
Nun heißt es, die Erfahrungen der letzten Jahre aufzuarbeiten und die kreative Kollaboration im physischen Lernraum der D-School zusammenzuführen mit den positiven Erfahrungen der rein digitalen Kollaboration während der Corona-Krise. Neue, hybride Lern- und Arbeitsumgebungen sind entstanden, die kreative Teamarbeit ermöglichen, ohne dass alle physisch um einen Tisch versammelt sein müssen.
Die Herausforderung: die digital zugeschalteten Team-Mitglieder müssen auf Augenhöhe mit den Kommiliton:innen vor Ort zusammenarbeiten können. Dazu sind nicht nur neue Möbel- und Raumkonzepte vonnöten, sondern auch neue, digitale Kommunikations- und Interaktionskomponenten, die geschickt miteinander kombiniert werden müssen.
Flexibilität, Variabilität und Wandelbarkeit prägen diese „HyFlex“ Lernumgebungen der HPI D-School. Ihrem Selbstverständnis als Prototyp für die Lernumgebung des 21. Jahrhunderts entsprechend wird die D-School damit zu einem Vorbild und Experimentierlabor für die Hochschullandschaft und andere Ausbildungseinrichtungen, aber auch für Unternehmen und Organisationen, die nach neuen, hybriden Arbeitsformen suchen.
Ein weiteres Zukunftsfeld tut sich auf in der Zusammenarbeit mit IEEE, dem weltweit größten Verband der Ingenieure. Schon seit einigen Jahren entwickelt die Standardisierungsabteilung dieses Weltverbandes, die IEEE SA, einen neuen Standard für ethisch basierte Technologieentwicklung und hat sich mit dem HPI und der Global Design Thinking Alliance einen Partner für die weltweite Verbreitung und Etablierung dieses werte-orientierten Entwicklungsansatzes gewählt.
P7000 heißt dieses Set von ethischen Systemanforderungen, die bei der Entwicklung von komplexen System- und Software-Anwendungen und insbesondere bei Anwendungen und -Systemen in den Bereichen Robotics und Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen sollen. Der Design-Thinking-Prozess als konsequent ganzheitlicher und Menschen-zentrierter Ansatz wird in den kommenden Jahren für die Schulung von Ingenieuren und Entwicklern bei der Identifikation von ethischen Fragestellungen eine wesentliche Rolle spielen.
Die GDTA wird rund um den Erdball Schulungsprogramme entwickeln, die werte-orientierte Design- und Entwicklungsprozesse initiieren, ermöglichen, begleiten und dabei unterstützen, ethische Risiken für Organisationen, Stakeholder und Endanwender zu minimieren.
Damit bewegt sich der Design-Begriff einen Schritt weiter und Design Thinking gewinnt an Relevanz, nicht nur in organisatorischen Fragen großer Unternehmen im Rahmen der digitalen Transformation, sondern auch bei ethischen Fragestellungen rund um zukünftige Entwicklungen im Future-Tech-Bereich.
Es geht auch um Fragen der technologischen Selbstbeschränkung in den nächsten Jahrzehnten. Alleine der Blick auf die exponentielle Entwicklung der Rechen- und Speicherleistungen macht deutlich, dass immer mehr technisch machbar sein wird, was ethisch fragwürdig bzw. nicht wünschenswert ist. Dies auszuloten und die Balance zu wahren, wird eine der großen Herausforderung der nächsten Generationen sein.
Mit dem ganzheitlichen, komplexen Blick auf komplexe Fragestellungen wird Design Thinking auch in Fragen nachhaltiger Entwicklung in den nächsten Jahren für Organisationen und Unternehmen zu einem unverzichtbaren Instrumentarium werden. Nicht nur die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen werden für uns auch in den kommenden Jahren den großen Rahmen bilden. Design Thinking wird als Denk- und Handlungsmuster neue Lösungsräume für Fragen der Nachhaltigkeit liefern, z.B. in der Zusammenarbeit mit der auf eine konsequente Kreislaufwirtschaft orientierten Cradle to Cradle-Bewegung.
Auch der politische Raum öffnet sich und sucht, insbesondere in den demokratisch orientierten Gesellschaften, nach neuen Wegen der Partizipation, Mitbestimmung, Inklusion und Diversität. Es stimmt zuversichtlich, daß erste Landes- und Bundesministerien sich mit Design Thinking und anderen agilen Ansätzen an die Lösung politischer Problemstellungen heranwagen. Hier wird sich in den kommenden Jahren ein neues Wirkungsfeld für Design Thinking auftun – die komplexen geopolitschen Problemlagen rufen geradezu nach neuen Lösungswegen.
Design Thinking ImpAct Magazin
Dieser Text ist Teil unseres "Design Thinking ImpAct"-Magazins, das wir anlässlich unseres 15-jährigen Jubiläums veröffentlicht haben.
Design Thinking ImpAct Conference: Podiumsdiskussion
Auf der Design Thinking ImpAct Konferenz diskutierten George Kembel, Maria Yang (MIT), Richard Perez (Hasso Plattner d-school Afrika), Uli Weinberg und Claudia Nicolai (HPI School of Design Thinking) über ihre Visionen für die Zukunft von Design Thinking: Zur Aufzeichnung der Diskussion. Moderiert wurde das Panel von Jen Tzen Tan und Christian Smirnow.
Die "Design Thinking ImpAct Konferenz: 15 Jahre Design Thinking am HPI" fand in einem hybriden Format am 15. und 16. September 2022 statt.