01/03 - Dem Institut für Telematik droht das Aus: Trägerverein beschließt Liquidation - Vereinsvorstand dagegen
Trier. Das Institut für Telematik, Spezialist für
Hightech-Forschung und -Entwicklung rund ums Internet, hat einen
Rundfunk-Bericht bestätigt, wonach es aus finanziellen
Gründen seine Arbeit einstellen soll. Der Privatsender Radio
RPR hatte am Montag Nachmittag (13.1.) gemeldet, dass die
Mitgliederversammlung des Trägervereins einen entsprechenden
Beschluss bereits am vergangenen Mittwoch, 8. Januar gefasst habe -
gegen die Stimmen des Vorstands. Diesem gehören die
Professoren Christoph Meinel und Thomas Engel an. Die Mehrheit der
Vereinsmitglieder, darunter Stadt, Uni, Industrie- und
Handelskammer, Handwerkskammer und Sparkasse Trier sowie Bitburger
Brauerei und RWE Energie-AG stimmte der Bewertung des
rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministeriums zu, dass es
keine genügend sichere wirtschaftliche Grundlage für das
Fortbestehen des Instituts gebe. Das Land ist Hauptförderer
des vor fünf Jahren gegründeten Instituts. Für die
Abwicklung des Liquidationsverfahrens ist der Trierer Rechtsanwalt
Dr. Thomas B. Schmidt bestellt worden. Er wird ab 15. Januar
tätig werden.
Institutsleiter Prof. Meinel äußerte großes
Bedauern über die Entwicklung: "Das Institut für
Telematik hat fünf Jahre lang nach amerikanischem Modell
zukunftsträchtige und wirtschaftsnahe Hightech-Forschung rund
ums Internet betrieben. Wir waren damit sehr erfolgreich, wie
unsere Patente, Preisauszeichnungen, Projekte und Promotionen sowie
unsere Präsentationen auf internationalen
Wissenschafts-Konferenzen beweisen. Gerade in der
gegenwärtigen Stimmungslage in Deutschland ist nicht zu
verstehen, wenn nun das negative Signal ausgesendet wird: So etwas
wollen wir uns hier nicht mehr leisten, solch ein innovatives
Modell fördern wir nicht weiter. Damit verschwindet ein
leistungsfähiges und -bereites deutsches Forschungs- und
Entwicklungszentrum. Es ist schade, wenn Trier und Rheinland-Pfalz
im Wettbewerb um die innovativen Informations- und
Kommunikations-Technologien zurückfallen."
Noch Ende des Jahres 2001 hatte das Kuratorium des Vereins auf
Empfehlung einer vom Mainzer Wissenschaftsministerium berufenen
hochkarätigen Gutachterkommission, die das Institut bewertete,
den Beschluss gefasst, die Einrichtung personell und materiell
stark auszubauen. Der Vereinsvorstand (Professoren Christoph Meinel
und Thomas Engel) begann mit der Umsetzung des Beschlusses. Hinter
dem Wachstum des Instituts blieben allerdings wegen der sich
verschlechternden Wirtschaftslage die Forschungsaufträge aus
Wirtschaft und Gesellschaft zurück, die normalerweise etwa
zwei Drittel des Jahresetats ausmachen. Die Entwicklung führte
Ende 2001 zu einem Defizit von 380.000 Euro. Prof. Meinel: "Als
eingetragener Verein gemeinnützig agierend, konnte das
Institut keine Rücklagen für solche Fälle bilden;
die Eigenkapitaldecke beträgt null Euro. So startete das
Institut mit einem Defizit von 380.000 Euro in das Jahr 2002.
Monate lang war es von der Insolvenz bedroht."
Im Sommer erklärte sich das rheinland-pfälzische
Wissenschaftsministerium als institutioneller Förderer des
Instituts (Zuschuss im Jahr 2002: 750.000 Euro) dann bereit, weit
über die üblicherweise bereitgestellten Mittel hinaus
Hilfe zu leisten und die Übernahme eines großen Teils der
befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiter an die Uni
Trier zu finanzieren. Der Haushalts- und Finanzausschusses des
rheinland-pfälzischen Landtags empfahl Mitte Oktober dann eine
vollständige Integration in die Uni Trier.
Prof. Meinel: "Die allgemeinen wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen hatten sich im Verlauf des Jahres 2002 weiter
verschlechtert. Unternehmen aus der Wirtschaft zeigten sich zwar am
Kauf von Forschungs- und Entwicklungs-Dienstleistungen auf dem
Gebiet der neuen Informations- und Kommunikationsmedien weiter
interessiert - immerhin konnte 2002 wieder ein ausgeglichenes
Jahresergebnis mit gut 500.000 Euro selbst erwirtschafteten Mitteln
erzielt werden -, investierten wegen der schlechten
Konjunkturaussichten allerdings weniger als je zuvor." Aufgrund des
hohen und risikobehafteten Eigenfinanzierungsanteils wurde eine
vollständige Übernahme des bislang eigenständigen
Instituts von der Universität Trier als zu risikoreich
angesehen. Das Wissenschaftsministerium schaltete von Integration
auf Liquidation um.
"Wenn sich im Verlauf des Liquidationsverfahrens nicht noch ein
Investor findet oder sich der Haushalts- und Finanzausschuss des
Landtags entscheidet, das Geld lieber in die Weiterarbeit des
Instituts für Telematik zu stecken als in dessen Abwicklung,
gehen für unsere Einrichtung definitiv die Lichter aus",
bedauert Prof. Meinel. Selbst bei gleichbleibend schlechter
Wirtschaftslage könntee jedoch das Institut in diesem Jahr
wohl wieder wenigstens 500.000 Euro selbst erwirtschaften. "Der
Landeszuschuss von etwa einem Drittel unseres Jahresbudgets war
früher ausreichend. Seit den vergangenen beiden Krisenjahren
benötigen wir aber zwei Drittel. Das ist das Hauptproblem.
Schon mit zusätzlichen 500.000 Euro - einem vergleichsweise
geringen Betrag für die zukunftsträchtige
Beschäftigung von rund 40 hervorragenden jungen
Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Hilfskräften -
könnte bei dem für 2003 ursprünglich geplanten
Landeszuschuss in Höhe von 750.000 Euro die Weiterarbeit
unserer Einrichtung gesichert werden," betont der Trierer
Informatik-Professor.
Die Fünfjahres-Bilanz des Instituts für
Telematik im Überblick:
120 Forschungs- und Entwicklungs-Projekte mit einem
Gesamtvolumen von 5,8 Mio. Euro erfolgreich bearbeitet
91 begutachtete wissenschaftliche Beiträge auf
internationalen Tagungen vorgestellt
4 Dissertationen abgeschlossen
Aufbau eines der ersten, dem deutschen Signaturgesetz
entsprechenden Trust Center
3 Patente: Lock-Keeper, DICOMZIP, Secure E-Document Container
(angemeldet)
Innovationspreis Rheinland-Pfalz
einzige deutsche Institution, die sich dem internationalen
Wettbewerb zur Einrichtung einer zentralen europäischen
Registers für die eu-Top Level Domain gestellt hat
9 Trierer Symposien zu aktuellen Themen der E-Technologien
durchgeführt, jährlich bis zu 7 Messe-Teilnahmen
(ausführliche Form auf der nächsten
Seite)
Bilanz der fünfjährigen Arbeit des Instituts
(1998-2002)
Wissenschaftliche Bilanz:
91 begutachtete Konferenzbeiträge
12 Proceedings-Bände
2 Monographien, eine kurz vor der Fertigstellung
1 Lehrbuch
61 Preprints
4 abgeschlossene Dissertationen
Wirtschaftsnahe Projektarbeit
120 bearbeitete Projekte mit einem Gesamtumfang von 5,8 Mio.
Euro
Aufbau eines der ersten, dem deutschen Signaturgesetz
entsprechenden Trust Center
3 Patente: Lock-Keeper, DICOMZIP, Secure E-Document Container
(angemeldet)
Innovationspreis Rheinland-Pfalz
Technologietransfer
9 Symposien
bis zu 7 Messeteilnahmen im Jahr (Online, CeBit, MEDICA,
...)
15 in- und ausländische Beziehungen/Kooperationen mit
Universitäten
5 Mitgliedschaften in wissenschaftlichen Vereinigungen (D21,
TeleTrust, HL7, ...)
Mitarbeiter und Weiterbildung
durchschnittlich 34 Mitarbeiter/Teilzeitbeschäftigte,
Stipendiaten und wissenschaftliche Hilfskräfte
6 berufene Fachhochschulprofessoren
auch politisch bedeutsames Kooperationsprojekt mit der
Technischen Universität Beijing, China
Öffentliche Wirkung, Medienpräsenz
12 Fernsehbeiträge über Projekte des Instituts in 2002
(ARD, ZDF, SWR, 3SAT)
ein Betrag in der Tagesschau, ein Beitrag in ZDF "heute"
72 (nachgewiesene) Berichte in Zeitung oder Zeitschriften
(Handelblatt, FAZ, Süddeutsche, WAZ, Focus, c't)
189.000 Visits, 1,61 Mio. Page Impressions aus aller Welt auf
der Website in 2002