HPI: Wie bist du dazu gekommen, dich als Gleichstellungsbeauftragte an der DEF zu engagieren? Warum liegt dir das Thema persönlich am Herzen?
Lisa Baumann: Ich wurde tatsächlich von einer ehemaligen Gleichstellungsbeauftragten dazu überredet. Ohne Zuspruch hätte ich mir das Amt wohl nicht zugetraut.
Ich bin natürlich selbst eine Frau, die Informatik studiert, und falle damit in meinen eigenen Zuständigkeitsbereich. Menschen in meinem Umfeld waren oft überrascht, dass ich Informatik studieren möchte und ich hatte sehr wenige Vorbilder, ging also mit dementsprechend vielen Zweifeln ins Studium. Ich möchte, dass es für andere Menschen leichter wird, ihren Platz in der Informatik zu finden. Ich kann negative Erfahrungen, die sie erlebt haben, nicht rückgängig machen, aber ich kann dazu beitragen, dass sie hier Vorbilder haben und dass sie sich sicher und willkommen fühlen.
Für queere Menschen kann das zum Beispiel heißen, dass ich beim Prozess der Namensänderung unterstütze, dass ich aktiv die Zusammenarbeit mit möglichst vielen queeren HPI-ler*innen suche und dass ich Fakultätsangehörige sensibilisiere.
HPI: Was sind im universitären Kontext die größten Herausforderungen bei der Gleichstellungsarbeit?
Lisa: Darüber könnten wir jetzt sehr lange diskutieren. Ich kann aber ein paar Punkte nennen. In Bezug auf die Gleichstellung queerer Menschen ist das sicherlich die Annahme, dass es sie an der Universität nicht gibt oder ihre Identität hier keine Rolle spielt.
Nicht-binäre und trans Menschen werden aufgrund von äußeren Zuschreibungen falsch addressiert, was sehr unangenehm und verletzend sein kann. Oft passiert das unbeabsichtigt, aber ich habe auch schon erlebt, dass Menschen sich einfach weigern, andere richtig anzusprechen.
Noch zu oft wird nicht über Geschlechterbinarität hinausgedacht und diese wird physisch, zum Beispiel in Toilettenräumen, oder in Ansprachen wie “Liebe Kolleginnen und Kollegen” zementiert.
Es wird von Frauenförderung gesprochen, aber das ist oft zu unkonkret. Queere Frauen können auf viele Barrieren stoßen, die in diesem Begriff nicht mitgedacht werden. Da geht es auch um die Möglichkeit für trans Frauen, ihren Namen und Geschlechtseintrag offiziell an der Universität anpassen zu lassen. Manche fragen sich vielleicht, warum sexuelle Orientierung an der Hochschule eine Rolle spielen sollte, aber das tut sie schon längst. Wenn beim Thema familiengerechte Hochschule nur heterosexuelle Familienkonstellationen abgebildet werden. Wenn Schwangerschaft thematisiert wird, aber nicht Adoption. Wenn Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen nicht offen über ihre Partner*innen sprechen können, aber heterosexuelle Menschen schon.
Es ist eine Stresssituation, sich in einem Umfeld zu bewegen, in dem man sich immer wieder erklären muss, in dem Menschen, die einer Mehrheit angehören, es sich herausnehmen, auf die Bedürfnisse von Menschen in der Minderheit keine Rücksicht zu nehmen. Ein Umfeld, in dem man unsichtbar ist.
Wenn es zu Diskriminierung kommt, gibt es außerdem nicht immer konkrete Ansprechpersonen. Es gibt an Hochschulen nicht immer Menschen, die sich für queere Menschen einsetzen und Räume für sie schaffen. An immer mehr Universitäten gibt es aber Queer-Referate in den AStAs, queere Hochschulgruppen und Netzwerke. Das ist eine wichtige Entwicklung.