Hasso-Plattner-Institut25 Jahre HPI
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30.07.2024

Mit polygenen Risikoscores die Veranlagung für eine Erkrankung besser einschätzen

Eine zuverlässige und frühe Diagnostizierung von Epilepsieerkrankungen ist noch immer eine Herausforderung. HPI-Wissenschaftlerin Dr. Henrike Heyne forscht an genetischen Faktoren, die als Indikator für die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung dienen können. Ihr Paper wurde nun im Fachjournal Nature Communications veröffentlicht.

Dr. Henrike Heyne

Dr. Henrike Heyne ist Senior Researcherin am Hasso-Plattner-Institut und leitet die Forschungsgruppe "Genomics, Epilepsy and Precision Medicine". Sie forscht mithilfe großer Gendatenbanken an genetischen Ursachen für Krankheiten, um diese besser verstehen und behandeln zu können. In ihrem Paper "Polygenic risk scores as a marker for epilepsy risk across lifetime and after unspecified seizure events", jetzt im Nature Communications veröffentlicht, beschäftigt sie sich mit polygenen Risikoscores als Indikator für ein Erkrankungsrisiko an Epilepsie. Im Interview hat sie unsere Fragen zu ihrem Forschungsgebiet beantwortet.

Hasso-Plattner-Institut: Was genau sind Polygenic Risk Scores?

Dr. Henrike Heyne: Polygenic Risk Scores sind eine Art Punktzahl, die aussagt, wie hoch die persönliche Veranlagung für eine bestimmte Erkrankung ist. Sie werden aus den Effekten tausender genetischer Faktoren berechnet, die einzeln einen geringen, in der Summe jedoch einen hohen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko haben können, je nachdem wie vererblich eine Erkrankung ist. 

HPI: Für Epilepsieerkrankungen ist eine zuverlässige und frühe Diagnostizierung auch heute noch eine Herausforderung. Warum ist das so, und was ändert deine Forschung zu Polygenic Risk Scores daran?

Heyne: Es ist oft schwierig, eine Epilepsiediagnose zu stellen, da unklare Krampfanfälle andere Ursachen haben können. Eine frühzeitige Diagnose kann lebensrettend sein, um mit der richtigen Therapie weitere Anfälle zu vermeiden. Das EEG (Elektroenzephalographie), zentral in der Diagnose von Epilepsie, kann jedoch in vielen Fällen keine eindeutige Aussage liefern. Da es sonst keine guten Biomarker gibt, ist unsere Hoffnung, dass polygene Risikoscores in Zukunft bei der Epilepsiediagnostik unterstützen könnten.

HPI: Was sind die größten Erkenntnisse deines Forschungsprojektes?

Heyne: Wie zu erwarten war, wiesen Personen mit Epilepsie ein höheres genetisches Risiko für Epilepsie auf. Wir untersuchten aber auch Teilnehmer mit unklaren Krampfanfällen, bei denen zum Teil später eine Epilepsiediagnose gestellt wurde. Hier war das genetische Risiko für Epilepsie bei Personen, die später eine richtige Epilepsiediagnose erhielten, deutlich höher war als bei Personen mit nur einem unklaren Anfallsereignis. Diese neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass das genetische Epilepsierisiko in Zukunft helfen könnte, herauszufinden, ob Personen mit einem unklaren Anfall tatsächlich Epilepsie haben oder nicht. 

HPI: 2021 haben du und dein Team bereits auf der European Human Genetics Conference ein Paper zum Thema Polygenic Risk Scores und Epilepsie vorgestellt. Welche neuen Erkenntnisse liegen zwischen diesen beiden Publikationen?

Heyne: Wir haben in der neuen Version mit 500,000 Individuen eine doppelt so große Kohorte untersucht, neue Daten zur Berechnung des epilepsie-spezifischen Polygenic Risk Scores verwendet und einige interessante zusätzliche Erkenntnisse gewonnen, zum Beispiel, dass dieselben genetischen Faktoren unterschiedliche Effekte auf das Epilepsierisiko in biologisch weiblichen und männlichen Personen haben.  

HPI: Was fasziniert dich an deinem Forschungsthema?

Heyne: Ich finde es toll, dass ich mit meiner Forschung einerseits neue Erkenntnisse zu Epilepsie gewinnen kann, aber ebenso auch das Potential sehe, damit die klinische Versorgung zu verbessern.

Vielen Dank für das Interview!

Zum Paper geht er hier entlang: “Polygenic risk scores as a marker for epilepsy risk across lifetime and after unspecified seizure events”
Henrike O. Heyne, Fanny-Dhelia Pajuste, Julian Wanner, Jennifer I. Daniel Onwuchekwa, Reedik Mägi, Aarno Palotie, FinnGen, Estonian Biobank research team, Reetta Kälviainen, Mark J. Daly