Wie sehen Unternehmen der Zukunft aus?
Welche Organisationsstrukturen aus Sicht der Unternehmen wie auch der Mitarbeiter zukünftig zur Wettbewerbsfähigkeit und zu „guter Arbeit“ beitragen, wurde – moderiert von Prof. Ulrich Weinberg (HPI School of Design Thinking) – im Auftaktpanel des zweiten Konferenztages diskutiert. Dr. Elke Frank (Deutsche Telekom) erklärte, dass ihr Unternehmen mit 200.000 Mitarbeitern gleichzeitig sechs Kernthemen in diesem Bereich bearbeitet: 1) verstärkte Flexibilität des Arbeitens, 2) Digitalisierung von Arbeitsprozessen, 3) Vernetzung der unterschiedlichen Geschäftsbereiche, 4) Abbau von Hierarchie, 5) Umgang mit erhöhter Komplexität sowie 6) Unterstützung lebenslangen Lernens. Hier knüpfte Michael Fischer (ver.di) an, der zu bedenken gab, dass Personalentwicklung in den Unternehmen auch mit Blick auf den demografischen Wandel und die mittelfristige Pensionierung großer Teile der Belegschaft neu gedacht werden müsse. Mit Hinweis auf die Beschäftigungsstruktur in Deutschland – 70% der Arbeitnehmer sind im Dienstleistungsbereich tätig – nannte er folgende Kriterien „guter Arbeit“: gesund, menschengerecht, partizipativ, souverän mit Blick auf Arbeitsort und -zeit, persönlichkeitsfördernd sowie sinnstiftend. Jannike Stöhr (Autorin „Das Traumjob-Experiment“) stimmte dem zu: Nach längerer Tätigkeit im Personalbereich hatte sie das Experiment gewagt, 30 Berufe innerhalb eines Jahres auszuprobieren auf der Suche nach ihrem „Traumjob“. 2018 setzt sie dieses Experiment fort und testet 30 Jobs der Zukunft, u.a. Data Scientist und Service Designer. Ihre wichtigste Erkenntnis: Lernen funktioniert in der Praxis.
Neue Kollaboration
Moderiert von Dr. Claudia Nicolai (HPI School of Design Thinking) setzte das Panel „Neue Kollaboration“ einen besonderen Schwerpunkt darauf, wie sich die Interaktion zwischen Menschen sowie zwischen Mensch und Maschine zukünftig durch Digitalisierung verändern wird. Dr. Florian Heinemann (Projekt A) stellte fest, dass der Automatisierungsgrad datengetriebenen Arbeitens sowie Echtzeit-Kommunikation über unterschiedliche Kanäle zunehmen. Dies erleichtere einerseits die Arbeit und motiviere einen bestimmten Teil der Arbeitnehmer. Andererseits erhöhe sich die Komplexität und der Teil der Arbeitnehmer, die in diesem Prozess drohen „auf der Strecke zu bleiben“, müssten mitgenommen werden („Digital Divide“). Um neue Technologie wie künstliche Intelligenz für Arbeitsprozesse erfolgreich nutzen zu können, müssten zudem zunächst in vielen Unternehmen die Datenstrukturen standardisiert werden. Diese Erfahrung teilte Udo Littke (Atos) und sprach von „digital shockwaves“, mit denen Organisationen umgehen müssten. Als Herausforderungen sieht er beispielsweise die schnelle Qualifizierung von Mitarbeitern in wertschöpfenden Zukunftsthemen sowie offene und agile Unternehmensstrukturen. z. B. Durchführung von Hackathons zur Problemlösung bzw. Ideenfindung.
Stephan Rogge (Rolls-Royce Deutschland) brachte ein sehr anschauliches Beispiel für neue Interaktion zwischen Mensch und Maschine mit: Der Triebwerkshersteller setzt seit kurzem ein speziell entwickeltes VR-System ein, welches die Arbeiten rund um die Triebwerksentwicklung wesentlich vereinfacht, intuitiv bedienbar ist, die Kollaboration mit Kollegen verbessert und insgesamt die hohe Komplexität der unterschiedlichen Triebwerke und Anforderungen an diese beherrschbar macht.
Einen komplett anderen Ansatz, Komplexität in Unternehmen beherrschbar zu machen, verfolgt das Unternehmen auticon, welches ausschließlich Menschen mit Autismus-Spektrum als IT-Consultants einsetzt. Geschäftsführer Markus Schwind berichtete über diese Arbeit und die Herausforderungen und Chancen der Zusammenarbeit zwischen Autisten und „neurotypischen“ Menschen und schlug den Bogen mit seinem Plädoyer dafür, unterschiedliche Denkstrukturen und rationale Sichten zu akzeptieren.
Modernisierung des Bildungssystems
Frank Sitta, MdB, (FDP) ging in seinem Statement zunächst darauf ein, dass Automatisierung nicht gleichzeitig überall und mit ähnlicher Intensität stattfinden wird, sondern – am Beispiel von zwei Nissan-Werken – sogar in gleichen Unternehmen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung. Nichtsdestotrotz plädierte er vor allem dafür, das Bildungssystem zu modernisieren, um junge Menschen bestmöglich auf die neuen Anforderungen vorzubereiten und auch deren Selbstmotivation zu stärken. Hochschulen müssten zu Orten lebenslangen Lernens werden, damit Bildungswege auch für Arbeitnehmer dynamischer gestaltet werden könnten. Nicht zuletzt, damit Menschen besser mit den Veränderungen mithalten können.
Qualifizierung für die digitale Arbeitswelt gestalten
Das Abschlusspanel der Konferenz schloss an diesen Impuls an und widmete sich dem Thema der Qualifizierung. Moderiert durch Dr. Ole Wintermann (Bertelsmann Stiftung) stellten die Referent/innen Maßnahmen und Wege vor, wie Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Profilen von Qualifizierung profitieren können. Elke Manjet (SAP), verantwortlich für die Personalentwicklung von 25.000 Menschen an 30 Standorten, machte deutlich, dass insbesondere im Recruiting, aber auch bei der Weiterentwicklung des Personals Gestaltungsmöglichkeiten, Freiräume, Flexibilität und Sinn der Arbeit eine große Rolle spielen. Beispiele zur Förderung dieser Elemente sind das Intrapreneurship-Programm oder eine Raumgestaltung, die offene Kommunikation unterstützt. Dieses „Management“ der Unternehmenskultur – im Gegensatz zu einer „Verordnung“ – befürwortete auch Rosa Riera (Siemens). Für viele Mitarbeiter stünden „Purpose“, Work-life Balance sowie auch Qualifizierungsmöglichkeiten im Vordergrund bei der Wahl einer Tätigkeit bzw. eines Unternehmens. Darüber hinaus sei mehr denn je Transparenz in den Unternehmensentscheidungen geboten. Dr. Norbert Sack (ESMT Berlin) hob hervor, dass hier auch ein Führungswandel in Unternehmen stattfinden müsse. Als Business School beschäftigt sich die ESMT genau mit diesen Themen: Wie können insbesondere Soft Skills und Anpassungsfähigkeit von Führungskräften weiterentwickelt werden, damit Unternehmen bei hoher Innovationsgeschwindigkeit und sich veränderter Wettbewerbslandschaft bestehen können. Valerie Holsboer (Bundesagentur für Arbeit) legte den Fokus auf die enge Kooperation mit der Wirtschaft in der Entwicklung von Qualifizierungsmaßnahmen und wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Herausforderung insbesondere darin bestehe, Menschen ohne Berufsausbildung beschäftigungsfähig zu halten und weiterzubilden. Im Hinblick auf das Ausbildungssystem in Deutschland sprach sie sich für eine Beibehaltung der dualen Ausbildung aus. Martin Klaub (IBM) legte in seiner Ausführung ein besonderes Augenmerk auf die Individualisierung von Lerninhalten, um so zukünftig die Wissensvermittlung effizienter zu gestalten. Weiterhin verdeutlichte er an seinem eigenen Beispiel, dass Jobwechsel für Beschäftigte zukünftig zum Alltag gehören werden.
The new playbook
Esko Kilpi, Autor und „New Work“-Experte aus Finnland, stellte im Abschlussvortrag der Konferenz die plakative Frage: „Is management the bottleneck of today’s fast-paced world?“ Er machte deutlich, dass zukünftig nur Unternehmen am Markt bestehen könnten, deren Produkte ein soziales Element hätten und deren Mitarbeiter durch die Nutzung neuer Technologie und „expert tools“ sowie durch echte Partizipation im Unternehmen in die Lage versetzt würden, sich als „Besitzer“ des Unternehmens zu verstehen und aus dieser Motivation heraus neue Ideen und Innovationen zu entwickeln.