Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass derzeit auf die Blockchain-Technologie „viele überzogenen Erwartungen gerichtet“ sind. Die Potsdamer Informatikwissenschaftler machen in ihrem Report „Blockchain – Hype oder Innovation?“ einerseits auf noch unzureichende Standardisierung und mangelnde Fähigkeit zur Zusammenarbeit zwischen den Blockchain-Systemen aufmerksam. Die zunächst für den Zahlungsverkehr mit dem virtuellen Währungssystem Bitcoin entwickelte neue Technologie trägt ihrer Meinung nach aber andererseits durchaus Potenzial in sich, viele Prozesse in Wirtschaft und Gesellschaft revolutionieren zu können.
Laut Prof. Christoph Meinel, HPI-Direktor und Mit-Autor der Studie, rücken einige Gegner die Technologie in die Nähe von Hacker-Tricks, die kriminelle Geschäfte im Darknet, dem dunklen Teil des Internets, erleichtern sollen. „Manche Befürworter hingegen überhöhen sie wie in einem virtuellen Goldrausch zu einer neuartigen Allzweckwaffe“, so Meinel. Genau genommen stecke die Technologie aber noch in den Kinderschuhen und müsse zunächst ausreifen, indem sie für zusätzliche Anwendungszwecke weiterentwickelt werde. Danach komme es dann auf den „richtigen Einsatz“ an.
Die wissenschaftliche Studie des Instituts soll von einem neutralen, unabhängigen Standpunkt aus Möglichkeiten und Grenzen realistisch bewerten helfen. Zunächst wird nüchtern erläutert, wie die geheimnisumwitterte Technologie vorhandene Ansätze wie dezentrale Netzwerke, Kryptographie und Konsensfindungs-Modelle miteinander verknüpft. Ausführlich stellen die Autoren die Funktionsweisen der drei Systeme vor, die sich in der Blockchain-Szene bislang als wichtigste etabliert haben: Bitcoin, Ethereum und Hyperledger.
Nach Meinels Angaben verbrauchen die Rechen-Prozesse im Bitcoin-Netzwerk nach seriösen Kalkulationen bereits pro Tag so viel Strom, wie gut 12.000 deutsche Vierpersonen-Haushalte im ganzen Jahr benötigten. Außerdem gebe es sehr starke Kursschwankungen der digitalen Währung, da viel mit ihr spekuliert werde. Detailliert werden in der Studie mögliche Angriffe auf Blockchains beschrieben. Ferner wird erläutert, wie Hacker versuchen können, Transaktionen zurückzuverfolgen und geheime Schlüssel auszuspähen. Werden ganz neue Blockchain-Systeme entwickelt, könne es durch Änderungen an der bestehenden Softwaretechnologie durchaus zu Sicherheitslücken kommen, die von Angreifern ausgenutzt werden könnten, so die aktuelle HPI-Studie.
Sie zeigt im Einzelnen auf, was erforderlich ist, um Blockchain-Konzepte erfolgreich in der Praxis umzusetzen und welche verschiedenen Möglichkeiten es dabei gibt. Vor allem blicken die Wissenschaftler dabei auf Weiterentwicklungen der Blockchain-Technologie, die mit ihrer programmierbaren dezentralen Vertrauens-Infrastruktur neben Währungen und Werten auch komplexe Verträge zwischen mehreren Partnern ermöglichen kann, so genannte smart contracts. Als erfolgversprechende Einsatzfelder sieht die HPI-Studie neben der Vermietung von Wohnungen, Autos und Zweirädern auch den Handel mit Kunstwerken, Abstimmungs-Systeme oder die Verwaltung von Gesundheitsdaten.
Vorteile habe die Blockchain-Technologie zudem für das Management digitaler Identitäten, den sicheren Datenaustausch zwischen Geräten im Internet der Dinge (Internet of Things, IoT), den Handel mit lokal erzeugter erneuerbarer Energie und bei der Effizienzsteigerung von Lieferketten.